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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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und kam zu keinem Ergebnis. Er spürte, wie geistige und körperliche Frische nachließen, war oft überreizt und von heftigen Kopfschmerzen geplagt.
    »Kommst du voran?« fragte Jacques-Joseph eines Tages wieder einmal – es war ein Sommerabend des Jahres 1817, und beide saßen im Schein der untergehenden Sonne hinterm Haus.
    Es erschien Jean-François, als habe ihn der Bruder das bereits vor einigen Tagen gefragt (in Wirklichkeit erkundigte sich Jacques-Joseph bestenfalls alle vier Wochen nach seinen Fortschritten), und er fühlte sich provoziert.
    »Ich glaube, ich stehe kurz vorm Ziel«, erwiderte er. Neue Theorien hatte er ständig parat; sie wechselten, wie sich bunte Glasstücke in einem Kaleidoskop aus dem stets gleichen Bestand an Grundbausteinen zu immer neuen Gebilden fügen. Diesmal hörte Jacques-Joseph aber nicht wie sonst kommentarlos zu, sondern unterbrach ihn.
    »Moment«, sagte er, »du lieferst mir mit schöner Regelmäßigkeit neue Erklärungen und deutest an, daß du des Rätsels Lösung nun endgültig in den Händen hältst, tischst mir jedesmal eine andere Theorie auf und stürzt alles wieder um – was soll ich davon halten? Ich höre, daß dein Hieroglyphenverzeichnis an die 700 verschiedene Charaktere umfaßt, und folge willig deiner Erkenntis, so viele Zeichen könnten unmöglich ein Alphabet verkörpern. Dennoch, so hast du einmal behauptet, geben sie auch den Ton der Wörter an, denn wie sollten sie sonst die Geschichte der Könige, die Namen der besiegten Völker und die Zahl der Tribute überliefern? Einverstanden, denke ich mir, Hieroglyphen drücken nicht in jedem Zeichen eine Idee aus, sind also keine Bilder, sondern irgendwie lautlich zu lesen, ohne streng alphabetisch zu sein. – So war doch dein Ansatz irgendwann einmal, oder?«
    Jean-François nickte zerknirscht, wollte etwas erwidern, aber der Ältere winkte ab. »Ein paar Monate später präsentierst du mir aber keineswegs die ersten identifizierten Laute, sondern behauptest, es müßten dennoch rein symbolischeZeichen existieren, und zwar als Geheimschrift der Priester. Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Bedeutet es, daß eine hieroglyphische Inschrift aus mehreren Schriften gleichzeitig besteht, so als würde ich unser Französisch mit ein paar versteckten lateinischen Wörtern anreichern, die, separat gelesen, eine verschlüsselte Botschaft ergeben? Wieder etwas später erzählst du mir, daß es Vorsilben und Nachsilben gebe, die beispielsweise das grammatikalische Geschlecht eines Wortes anzeigen, womit du dich wieder in der Vermutung bestärkt siehst, es handele sich um eine Silbenschrift. Dann postulierst du, eine Hieroglyphe allein bedeute überhaupt nichts, nur in Gruppen enstünde ein Sinnzusammenhang. Wenig später verwirfst du das lautliche Prinzip vollends und kommst wegen der beträchtlichen Anzahl von zeichnerischen Nachahmungen natürlicher Gegenstände auf die Idee der Bilderschrift zurück. Kannst du mir irgendeine Passage auf diese Weise vorlesen? Ich meine, wenn es Bilder sind, müßte das doch möglich sein, oder?«
    Jean-François starrte finster vor sich hin.
    »So, und heute behauptest du, du habest durch den Vergleich mit dem Koptischen eine lautliche Hieroglyphe eindeutig identifiziert, und zwar die der Viper oder Nacktschnecke, irgend etwas Schlangenartiges jedenfalls –«
    »Jawohl!« fuhr der Bruder auf. »Auch wenn ich deinen Worten entnehme, daß du überhaupt nicht mehr an mich glaubst, ich wette meine rechte Hand darauf, daß diese Hieroglyphe die grammatikalische Endung der dritten Person darstellt! Ich habe sie im Demotischen und im Koptischen mehrfach wiedergefunden. Es ist ein alphabetischer Buchstabe!«
    »Ach tatsächlich?« versetzte Jacques-Joseph, und es klang sehr unwirsch, »Ja was denn nun, mein Lieber? Der letzte Stand der Dinge ist, sofern ich überhaupt noch etwas verstehe, daß du die Hieroglyphen nun doch für eine Bilderschrift hältst. Gleichzeitig aber entdeckst du grammatikalische Endungen an diesen Bildern? Das wäre in etwa so, als wenn ich, um den Begriff Kutscher auszudrücken, eine Kutsche male und die Endung -er dazuschreibe? Was soll das für eine Schrift sein? Das ist doch alles völlig unlogisch!«
    »Es würde bedeuten, daß irgendwann moderne alphabetische Elemente in eine altertümliche Symbolschrift eingedrungen sind.«
    »Papperlapapp«, machte Jacques-Joseph, »ich habe keine Lust mehr, mir das anzuhören. Seit Jahren immer nur neue Thesen und kein

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