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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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schälte sich ein mittelgroßer, schlanker Mann Mitte Fünfzig, in einem feinen dunkelblauen Rock, aus der Menge heraus. Er war eher unansehnlich, hatte ein knittriges Gesicht mit hoher Stirnund schiefer Nase, aber er lächelte souverän und bewegte sich mit einer lässigen Nonchalance, die den welterfahrenen Kavalier verriet, der seine Umgangsformen noch zu Zeiten des Ancien Régime erlernt hatte. Plaudernd, nach allen Seiten nickend, zwischendurch einigen Damen, die ihm vorgestellt wurden, die Hand küssend, glitt er in die Mitte des Saales, wo er suchend umherblickte.
    »Ist das wirklich Denon?« zischte Jean-François dem Bruder fragend ins Ohr. Der zuckte mit den Schultern.
    Die Frage sollte sich schnell beantworten. Am Eingang entstand neuerlich Unruhe. Diesmal war es der Präfekt, die eigentliche Hauptperson des Festes, der schnell erfuhr, daß ihm diese Rolle für den Abend streitig gemacht werden würde. Fourier hatte denn auch kaum ein Auge für seine Grenobler, sondern eilte freudig auf den prominenten Gast zu, breitete die Arme aus und rief: »Mein bester Denon, Sie hier? Und wie man mir eben sagte, sogar meinetwegen?«
    Der Angesprochene lachte, schüttelte dem Präfekten die Hand und sprach in die plötzlich entstandene Stille hinein: »Wir beide haben es zusammen bis nach Kairo und noch darüber hinaus geschafft, da wird man sich doch wohl auch in Grenoble treffen können! Ich habe ohnedies in Lyon einen englischen Verleger getroffen, der sich für mein Buch interessiert – psst, nicht weitersagen, ein Geschäft mit einem Vertreter des perfiden Albion, aber wir befinden uns ja nicht mehr im Krieg mit den Briten.« Er lächelte die Umstehenden an, die entzückt zurücklächelten. »Dort habe ich erfahren, daß man Ihnen zu Ehren heute ein Fest gibt. Und von Lyon nach Grenoble, ich bitte Sie, das ist wie von Rosette nach Alexandria, nur daß einem keine schießwütigen Beduinen oder Mamelucken im Nacken sitzen.« Wieder lachte er herzlich, das Publikum lachte ebenfalls und applaudierte, aus einem anschließenden Raum ertönte Musik, und das Fest begann.
    Jean-François kannte Denons Buch und teilte das Entzücken der Grenobler Gesellschaft über das unverhoffte Erscheinen des Autors und Lebemannes. Als er bemerkte, daß sein Bruder und der Abbé sich in eine Diskussion vertieften,beschloß er, Denon nachzugehen, um möglichst viel von den Gesprächen zu erhaschen. Mit einer Limonade in der Hand umrundete er einmal den Saal. Wie mondän die Frauen hier herumliefen! Mal war ein entblößter Nacken zu sehen, mal ein Paar makellos weißer Arme, hier und da ein gewagtes Dekolleté. In Figeac wäre so etwas unmöglich, dachte Jean-François, und sein Blick vergrub sich in eines der Dekolletés, bis er bemerkte, daß ein Augenpaar auf ihn zurückschaute, halb amüsiert, halb empört, und errötend wandte er sich ab.
    Irritiert entfloh er in einen der benachbarten Räume und stieß mit einem stämmigen Mann zusammen. Es war der Präfekt.
    »Ha, der kleine Champollion!« rief Fourier überrascht aus und zog sein Schnupftuch aus der Tasche, um sich die Limonadenspritzer vom Anzug zu wischen, die der Zusammenstoß hinterlassen hatte. »Pardon, ich meine natürlich: Champollion der Jüngere. Es scheint unser Schicksal zu sein, daß du mir gewissermaßen jedesmal vor die Füße fällst.«
    Der Knabe, angesichts des peinlichen Zusammenstoßes gleich wieder von neuem errötet, senkte die Augen zu Boden und schwieg.
    »Na, nichts für ungut«, sagte Fourier, der es eilig zu haben schien. »Ich hoffe, es gefällt dir hier. Ja? Wir sehen uns ja demnächst bei der Hieroglyphenvorführung!«
    Jean-François stand einen Augenblick wie angewurzelt, dann suchte er weiter nach dem Überraschungsgast aus Paris. Schließlich fand er Denon in einem an das Foyer anstoßenden, kleineren Raum, wo er den Mittelpunkt einer Runde von vielleicht zwanzig Damen und Herren – im aktuellen, aber allmählich aussterbenden Sprachgebrauch hätte man sagen müssen: Bürgerinnen und Bürgern – bildete und sie unterhielt, denn er führte, nur gelegentlich von Fragen oder Einwürfen unterbrochen, das Wort.
    Zunächst war die Rede von Bonapartes Sieg über die Österreicher bei Marengo vor zwei Jahren, bei dem der geniale Schlachtenlenker geweint haben soll, als man ihm die Nachricht vom Tode seines Generals Desaix überbrachte. Bonaparte hatte geweint! Insbesondere die Damen fandendiese Vorstellung ergreifend. Und er, Denon, habe Desaix ja auch

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