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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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diesen Worten erhob er sich.
    Der Physiker, eine Winzigkeit verstört wegen des Wutausbruchs, stand ebenfalls auf und sagte: »Es tut mir sehr leid, wenn ich Sie so verärgert habe …«
    Mit einer unwirschen Handbewegung schnitt ihm der Baron das Wort ab. »Ach, vergessen Sie’s. Ich werde Sie nicht mehr behelligen. Dann bleibt diese alte Klamotte eben ungelesen!«
    Auch der Minister hatte sich erhoben und blickte etwas unschlüssig. »Nun ja«, sagte er, mit den Schultern zuckend, »dann sind Sie wohl nicht zu überzeugen.«
    »Ich fürchte nicht, Euer Lordschaft«, entgegnete Young würdevoll.
    An der Tür wandte sich Ravenglass noch einmal um. »Dürfen wir Ihnen wenigstens eine Kopie der Inschrift dalassen?«
    »Aber herzlich gern.«
    Ravenglass und Hawkesbury stiegen in die Kutsche und befahlen einem der beiden Lakaien, die fröstelnd auf dem Bock saßen, er möge die Schriftrolle ins Haus tragen und dem Professor aushändigen.
    »So ein verdammter Sturkopf!« grummelte Ravenglass, nachdem sich der Wagen in Bewegung gesetzt hatte.
    »Zumindest ein seltsamer Mensch«, erwiderte Hawkesbury. »Übrigens von bemerkenswerter Arroganz. Noch bemerkenswerter scheint mir das Spektrum seiner Kenntnisse und Fachgebiete; ich bin mir allerdings immer noch nicht im klaren darüber, warum Sie so überzeugt sind, daß er alte Geheimschriften entziffern kann. An irgendeinem Punkt ist doch so ein Kopf einmal ausgelastet.«
    »Ich bleibe dabei: Er ist der Mann, dem es gelingen würde. Ich habe einige Gelehrte und Professoren gesprochen. Man nennt ihn in diesen Kreisen übrigens ›Phänomen Young‹, das ist gewissermaßen sein wissenschaftlicher Titel.«
    »Sie vergöttern diesen Young ja regelrecht. Übertreiben Sie nicht ein wenig?«
    »Inzwischen wünsche ich mir, daß ich übertreibe. Ich fürchte jedoch, daß ich nie realistischer war.«
    »Tja, die Probe aufs Exempel werden wir wohl nicht erleben, mein bester Baron. Unser Besuch war herzlich überflüssig.«
    Ravenglass sah finster vor sich hin.
    Während der Fahrt ins Foreign Office redeten die beiden Herren nicht mehr über ihren fehlgeschlagenen Besuch. Am Abend aber, in seine Wohnung heimgekehrt, befahl der Baron seinem Butler, ihm ein großes Glas Brandy zu bringen. Dann entrollte er seine private Kopie des Dreisprachensteines auf dem Schreibtisch, setzte sich mit dem Glas in der Hand davor und versenkte sich in die wunderlichen Zeichen, die ihm lockend und zugleich abweisend vor Augen standen wie eine geheimnisvolle Frau, der man vergeblich den Hof machte. »O Ägypten, Ägypten«, rezitierte er flüsternd, »von deinem Glauben werden nur Fabeln übrigbleiben, den späteren Geschlechtern unbegreiflich, und nur tote Worte auf den Steinen!« Er überlegte, von welchem antiken Schriftsteller dieser Ausruf stammte, aber es wollte ihm nicht einfallen.
    Lange saß Ravenglass so da, unbeweglich; dann, einem plötzlichen wilden Impuls folgend, sprang er vom Stuhl auf, packte die Rolle und zerriß sie in kleine Stücke.

Zweiter Teil
DIE FRAU MIT DEN GLETSCHERAUGEN

9
    Ein junger Mann saß in der Postkutsche und blickte gedankenversunken aus dem Fenster. Er hatte augenscheinlich die Lust an einem Buch verloren, welches nun, aufgeschlagen, aber unbeachtet, auf seinem Schoß lag. Er trug einen knielangen braunen Rock, enge schwarze Hosen und Stiefel. Sein Hemd war am Hals mit einem Tuch zusammengebunden; sein volles Gesicht, dessen Teint leicht ins Ockerfarbene spielte, wurde von den kräftigen Jochbeinen sowie zwei auffallend großen braunen Augen beherrscht. Eine weitere Besonderheit dieser Augen bestand darin, daß ihre Hornhaut gelb war.
    Man schrieb den 13. September des Jahres 1807. Es hatte in den Morgenstunden geregnet, doch nun war die Sonne hervorgekommen und veranstaltete Lichterspiele im Laubwerk der Bäume eines kleinen Waldstücks, welches der Wagen soeben durchfuhr. In wenigen Stunden würde die Kutsche Paris erreichen.
    Jean-François Champollion ließ den Oberkörper in seinen Ledersitz zurücksinken und versuchte, den schmerzenden Rücken durch diesen Haltungswechsel zu entlasten. Seit beinahe 70 Stunden saß er in diesem unentwegt mal hierhin, mal dorthin pendelnden Gefährt. Die endlose Schaukelei war nur von ein paar kurzen Pausen an Poststationen oder Rasthöfen unterbrochen worden, wo Kutscher und Pferde wechselten und die Insassen ihre Mahlzeiten einnehmen sowie gewisse Verrichtungen erledigen konnten. Es war eine Tortur; dies um so mehr, als es auch

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