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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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ergebenen König von Sachsen unterstellt. Seit wenigen Monaten herrschte Frieden mit den Moskowitern, und der Zar galt nun offiziell als Verbündeter Frankreichs. Paris, das Herz des französischen Imperiums, auf das Jean-François zufuhr, war die Hauptstadt des Erdballs.
    Nur ein einziger Feind war übriggeblieben: England, die Seemacht. Im Oktober 1805, keine zwei Monate vor NapoleonsAusterlitz-Triumph, hatte Admiral Nelson bei Trafalgar die französische Flotte vernichtet. Nun rächte sich Frankreich mit der Kontinentalsperre, die jeden Handel mit den perfiden Briten bei Strafe verbot.
    Die Straße verließ das Wäldchen, führte durch Felder und Weinberge, und in der Ferne zeichnete sich das von der Kuppel des Panthéon beherrschte Häusermassiv vor dem klarblauen Frühherbsthimmel ab. Das Panorama verschwand wieder, als ihr Gefährt durch den Bois de Vincennes im Südosten der Seine-Stadt holperte. Dort passierte man eine Marschformation junger Rekruten in den blau-weißen Uniformen der Grenadiere, die von einem berittenen Offizier kommandiert wurde. Jean-François sah die Gesichter seiner Altersgenossen, und der Anblick versetzte ihm einen Stich. »Was meinen Sie«, frage er den Kavalleristen, der ihm schräg gegenüber saß, »wie lange diese Kriege weitergehen werden? Was will Napoleon denn noch erobern?«
    Der Rittmeister war nicht nur ein Haudegen, der Kosaken ins Jenseits schicken konnte, sondern anscheinend auch ein nüchterner Mann. »Sie sprechen eine Stimmung an«, erwiderte er, »die in der näheren Umgebung des Kaisers derzeit weit verbreitet ist. Selbst seine Marschälle sollen kriegsmüde sein, heißt es. Schon nach Austerlitz haben einige militärische Führer die Ansicht vertreten, nun sei der Höhepunkt des Triumphs erreicht, man dürfe den Bogen nicht überspannen. Aber er hält davon nichts. Sie sehen ja selbst – statt sich mit Austerlitz zufriedenzugeben, hat der Kaiser Preußen unterworfen. Und nun will er England.«
    »Dieser Mann ist unersättlich«, sagte Jean-François, wohl wissend, daß solche Äußerungen nicht ganz ungefährlich sein konnten, denn die kaiserliche Geheimpolizei sperrte überall ihre Ohren auf, aber der Sälbelnarbige machte ihm nicht den Eindruck eines Denunzianten, und das Tuchfabrikantenehepaar schlief.
    »Er ist ein Genie«, entgegnete der Offizier. »Es ist beeindruckend, einem solchen Kopf zu dienen, seine Schachzüge in der Schlacht umzusetzen und den überraschten Gegner zu schlagen. Solange er uns führt, sind wir unbesiegbar.«
    »Also werden diese Feldzüge nie aufhören?«
    Der Dragoner zuckte mit den Schultern. »Napoleon braucht den Krieg, er ist sein Element. Nun will er England mit der Kontinentalsperre aushungern, aber der Brite mit seiner überlegenen Flotte ist ein zäher Kontrahent. Auf dem Festland freilich gewänne er keinen Stich gegen uns. Vielleicht wird sich der Kaiser jetzt gegen Spanien und Portugal wenden, um England von der gesamten Küste des Kontinents abzuschneiden, vielleicht will er die Insel aber auch direkt angreifen. ›Drei Tage Nebel, und ich stehe in London‹, soll er gesagt haben. Was verstehen wir normalen Sterblichen schon von seinen Plänen?«
    Eine Weile herrschte Schweigen in der Kutsche, und nur das gleichmäßige Traben der Pferde, das Rumpeln der Räder und das Knirschen des Lederzeugs waren zu hören. Dann fragte der Kavallerist: »Sie sind noch nicht zur Fahne gerufen worden?«
    Wieder durchfuhr ein Stich den jungen Mann, und er antwortete: »Nein. Ich habe vor, in Paris zu studieren.«
    »Auch gut. Es muß nicht nur Soldaten geben. Waren Sie schon einmal in Paris?«
    Jean-François schüttelte den Kopf.
    »Dann steht Ihnen ein Erlebnis bevor«, fuhr der andere fort. »Die Stadt ist förmlich aufgeblüht, seit Napoleon regiert. Vorher lag das öffentliche Leben arg darnieder. Der Kaiser aber läßt viel bauen und verschönern, zuletzt die Austerlitzbrücke im Südosten, so daß nun keine Fähren mehr über die Seine verkehren müssen. In den Magazinen stapelt sich die Beute der Kriegszüge, an der Börse herrscht Hochstimmung, auf den Märkten können Sie exotische Waren kaufen. Es gibt Feste und Feuerwerke, und Vasallen aus den unterworfenen Ländern katzbuckeln in den Vorzimmern. Paris gleicht heute dem antiken Rom. Es ist das Zentrum der Welt.«
    »Aber Rom ging unter«, gab der angehende Student zu bedenken.
    Da verzog der Dragoner das Gesicht. »Junger Mann, Sie sind ein Defätist«, sagte er, »wenn Sie schon

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