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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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ihnen unterdrückt wurden.«
    »Und der Name Ramsesstadt?«
    »Er wurde später in die Texte eingefügt. Ramses regierte erst viel später. Aber Genaueres würden wir erst wissen, wenn wir die ägyptischen Inschriften lesen könnten, denn sie wurden nicht nachträglich zu Chroniken gefügt.«
    Fourier pfiff durch die Zähne. »Hast du Lust«, fragte er, »an den wissenschaftlichen Soireen teilzunehmen, die ich regelmäßig mit Angehörigen der Delphinatischen Akademie veranstalte? Du bist zwar noch sehr jung, aber nach alldem, was ich von dir und über dich gehört habe, bist du deinem Alter so weit voraus, daß ich keinerlei Bedenken trage, dich in das gelehrte Leben dieser Stadt einzuführen.«
    Der Junge strahlte über das ganze Gesicht. »Aber selbstverständlich, ungeheuer gern!« rief er. »Darf ich Sie etwas fragen?« setzte er nach einer kurzen Pause hinzu.
    »Gewiß.«
    »Können Sie mir eine Kopie des Dreisprachensteins besorgen – ich will sie nur abschreiben.«
    Der Präfekt blickte forschend in das Gesicht des Jungen. »Ich denke, das läßt sich machen. Ich könnte eine aus Paris kommen lassen; es sind dort mehrere in Umlauf.«
    Jean-François klatschte in die Hände. »Damit würde ein Wunsch in Erfüllung gehen, den ich schon seit über zwei Jahren habe – seit ich von der Entdeckung des Steins las.«
    Wieder wandte er sich den Sammlungsstücken zu und strich versonnen mit den Fingern über die uralten Inschriften.
    »Und niemand kann diese Hieroglyphen lesen?« fragte er leise.
    »Niemand«, bestätigte der Präfekt, »nicht einmal der berühmte Silvestre de Sacy.«
    Der Elfjährige ließ noch einmal seinen Blick über die versammelten Altertümer schweifen. Dann sah er Fourier mit funkelnden Augen direkt ins Gesicht und sagte: »Ich werde sie lesen!«

8
    Lord Hawkesbury war gewarnt worden: Thomas Young war ein Exzentriker. Als Ravenglass und sein Dienstherr mit der ministerlichen Kutsche in der Welbeck Street vorfuhren, wo Young wohnte und eine medizinische Praxis unterhielt, bot sich ihren Augen ein seltsames Schauspiel. Vor dem Haus balancierte ein drahtiger junger Mann am hellichten Tag auf einem Seil, das etwa einen Meter über der Erde zwischen dem zum Haus gehörenden Gitterzaun und einem davorstehenden Baum aufgespannt war. Eine Schar Gassenjungen begaffte ihn bei seinen akrobatischen Versuchen, und Ravenglass sagte mit verlegener Miene, indem er auf den Seiltänzer wies: »Das ist er.«
    Hawkesbury schluckte. Dieser Possenreißer da sollte Professor für Naturphilosophie, Fellow der Royal Institution und Verfasser einer in Fachkreisen gepriesenen, völlig neuen »Theorie des Lichtes und der Farben« sein?
    Behende und hochkonzentriert stand der Mann auf dem Seil, das Gleichgewicht mit einer etwa drei Meter langen Metallstange haltend, und obwohl der Dezembertag sehr kalt war, standen Schweißperlen auf seiner Stirn. Die beiden Herren nahm er gar nicht wahr.
    Young, mittelgroß, schlank, Ende Zwanzig, befand sich offenbar in bester körperlicher Verfassung. Er trug Reithosen, Stiefel und eine hochgeschlossene braune Tweedjacke mit gelbem Wollschal. Sein Kopf war unbedeckt, das kurze, goldblond gelockte Haar setzte sehr hoch oberhalb der Stirn an und ging in einen modischen Backenbart über, den er allerdingsschon unmittelbar unterhalb des Ohres gestutzt hatte. Seine blauen Augen blickten selbstsicher, und der kleine, schmallippige, an den Rändern etwas nach oben gezogene Mund mit dem vorgeschobenen Kinn verlieh seinem Gesicht einen spöttisch-blasierten Zug.
    Er hatte den Baum erreicht, hob die Stange über den Kopf und versuchte, sich mit einer Art Pirouette unter ihr umzudrehen, verlor jedoch die Balance, ruderte vergeblich mit dem Metallstecken und fiel, unter dem Gejohle der Jungen, zur Erde, wo er gleichzeitig auf dem rechten Fuß und dem linken Knie zu stehen kam. »Verdammt!« rief er aus, lächelte aber, rappelte sich auf – und bemerkte die Ankömmlinge genau in jenem Augenblick, da Hawkesbury dem Baron ins Ohr zischte: »Soso, das ist also Ihr vielbeschäftigtes Universalgenie?«
    Young legte die Stange ab und trat auf sie zu. »Gentlemen«, sagte er mit metallischer Stimme, »ich bitte um Vergebung; ich habe bei meiner Beschäftigung wohl vergessen, nach der Uhr zu schauen. Euer Lordschaft« – er deutete äußerst vage einen Diener an –, »Ihr Besuch ist mir ein Vergnügen, auch wenn mir sein Grund mysteriös scheint. Baron«, wandte er sich an Ravenglass, »Sie schauen ja

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