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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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nicht kämpfen wollen, was ich durchaus akzeptieren kann, sollten Sie dochsolche Unkenrufe für sich behalten.« Mit diesen Worten lehnte er sich zurück, schlug die weißbehosten Beine, die in schwarzen Knöpfgamaschen steckten, übereinander und sah aus dem Fenster. Augenscheinlich betrachtete er das Gespräch für beendet.
    Jean-François schluckte die Zurechtweisung und sah ebenfalls wieder hinaus. Seine Aversion gegen Napoleon war nicht nur Ausdruck seiner Furcht, mit geschultertem Gewehr, ohne jede Möglichkeit, seine Studien zu betreiben, in irgendein fremdes Land einmarschieren und dort an Schlachten teilnehmen zu müssen, aus denen heil davonzukommen die Chancen nicht zum besten standen. Sie hatte schon während seiner Grenobler Schulzeit begonnen, als er nämlich gezwungen worden war, die Schule des Abbé Dussert zu verlassen und seinen Unterricht im städtischen Lyzeum fortzusetzen. In den auf Befehl des damaligen Ersten Konsuls eingerichteten Lyzeen, kasernenähnlichen Knaben-Internaten, herrschte von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang strengster militärischer Drill. Morgens wurden die Zöglinge von Fanfaren geweckt, und Trommelwirbel begleitete jede neu einsetzende Nummer des Tagesprogramms, wozu auch Exerzieren und Waffenübungen unter Aufsicht eines Instruktionsoffiziers gehörten. Der Unterricht selbst verzichtete weitgehend auf schöngeistige Wissenschaften und Altertumskunde – mit der Erklärung, man könne auch ohne sie Schlachten gewinnen, hatte ein besonders zackiger Lehrer Jean-François’ zaghafte Anfrage gleichsam fortgewischt. Statt dessen standen Mathematik, Geometrie, Naturwissenschaften und Ingenieurstechnik auf dem Stundenplan, ergänzt durch allerlei militärische Lektionen. Ausschließlich an den Wochenenden durften die Schüler das Internat verlassen. Jean-François litt furchtbar unter Zwang und Zucht. Nur nachts im Schlafsaal, im Schein einer Kerze, konnte er sich seinen Büchern zuwenden, sofern er nicht vor Erschöpfung vorher einschlief. Damals begriff er, daß er ein Sklave dieses Staates sein sollte und daß Bonaparte nur an der Ausbildung von Soldaten, Verwaltungsbeamten und Ingenieuren interessiert war, mit denen er später die Schlachtfelder, dieFabriken für Kriegsmaterial und die Besatzungsbehörden der eroberten Länder bestücken konnte. Er, Jean-François, sollte nur ein winziges Rädchen im großen Uhrwerk kaiserlicher Machtentfaltung sein. Für seine geliebte Altertumswissenschaft war dort überhaupt kein Platz. Der Junge war nahe am Verzweifeln.
    Der Fürsprache seines Bruders, den der Internatszögling mit Klagebriefen überschüttete, in denen er auch die Möglichkeit einer Flucht aus der Anstalt erwog, und dem sanften Druck des Präfekten auf die Lyzeumsführung hatte es Jean-François schließlich zu verdanken, daß für ihn ein paar Lockerungen eintraten. So durfte er an manchen Abenden die Unterrichtskaserne verlassen, um an den wissenschaftlichen Soireen des Grenobler Gelehrtenvereins teilzunehmen, wo er vor allem in dessen Vorsitzendem, dem Bürgermeister Renauldon, einen Förderer fand. Von den Geistesgaben des Jungen ebenso angetan wie Fourier, erwirkte Renauldon schließlich, daß Jean-François nur noch als Externer am Unterricht im Lyzeum teilnahm. Als Gegenleistung erbat sich der Bürgermeister von seinem Schützling eine schriftliche Arbeit für die Delphinatische Akademie. Der war Feuer und Flamme, wählte als Thema »Ägypten unter den Pharaonen« und arbeitete über mehrere Monate eifrig daran.
    Zugleich hatte der Präfekt seine Fühler nach Paris ausgestreckt und den Orientalisten Silvestre de Sacy brieflich davon in Kenntnis gesetzt, daß er in Grenoble einen Knaben oder halben jungen Mann von außerordentlichen Talenten kennengelernt habe, dessen ganzes Interesse auf die Erforschung der alten orientalischen Sprachen sowie der Geschichte Ägyptens gerichtet sei. Ihn in der Haupstadt, bei den besten Lehrern Frankreichs, studieren zu lassen, hatte Fourier geschrieben, sei ein Gebot der Förderung des Talents und der Liebe zur Wissenschaft überhaupt. Darum frage er an, ob es möglich sei, daß der Eleve am Collège de France zu studieren beginne. Die Antwort aus Paris, von der Hand Sacys, war positiv ausgefallen – und so saß Jean-François nun in der Postkutsche, die ihn einerseits dem Ziel seiner Wünsche entgegenbrachte, andererseits aber ins Epizentrum jener kriegeplanendenMacht beförderte, die junge Männer seines Alters lieber mit Musketen

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