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Der Raritätenladen

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Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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geben schon nach, Sie lassen sich schon herbei! Fragen Sie die Parfumeurs, fragen Sie die Schuhwichsefabrikanten, fragen Sie die Hutmacher, fragen Sie die alten Lotteriekollekteure; fragen Sie alle samt und sonders, was meine Poesie für sie getan hat, und ich schwöre Ihnen, jeder wird Slums Namen segnen. Wenn er ein ehrlicher Mann ist, so erhebt er seine Augen zum Himmel und segnet den Namen ›Slum‹ – merken Sie sich das! Sie kennen wohl die Westminsterabtei?«
    »Oh, gewiß!«
    »Dann, bei meiner Seel und Ehre, Madame, werden Sie in einer gewissen Ecke jenes trübseligen Kolosses, der Poetenwinkel genannt, etliche viel kleinere Namen finden als den
eines Slum«, entgegnete der Gentleman, indem er sich ausdrucksvoll an die Stirn tippte, um damit anzudeuten, daß keine geringe Quantität von Gehirn dahinter stecke. »Ich habe bereits eine Kleinigkeit da«, fuhr Herr Slum fort, indem er seinen Hut abnahm, der voll Papierschnitzel war, »eine Kleinigkeit, hingeworfen in der Hitze des Augenblicks, und ich darf wohl sagen, daß sie genau das ist, was Sie brauchen, um diesen Ort zu entflammen. Es ist ein Akrostichon, die ersten Versbuchstaben geben zwar den Namen ›Warren‹, aber die Idee ist verwertbar und ist eine positive Inspiration für Jarley. Nehmen Sie das Akrostichon!«
    »Vermutlich ist es sehr teuer?« fragte Madame Jarley.
    »Fünf Schilling«, versetzte Herr Slum, indem er sich seines Bleistiftes als Zahnstocher bediente. »Wohlfeiler als jede Prosa.«
    »Ich könnte nicht mehr als drei geben«, entgegnete Madame Jarley.
    »Und sechs Pence«, fügte Herr Slum hinzu; »machen Sie drei Schilling sechs Pence.«
    Madame Jarley war gegen das gewinnende Benehmen des Poeten nicht gefeit, und Herr Slum notierte den Auftrag in einem kleinen Taschenbuche zu drei Schilling und sechs Pence. Dann entfernte er sich, um das Akrostichon zu ändern, nachdem er zuvor einen sehr zärtlichen Abschied von seiner Gönnerin genommen und möglichst bald mit einer schönen, druckfertigen Kopie zurückzukehren versprochen hatte.
    Da seine Anwesenheit die Vorbereitungen weder beeinträchtigte noch hemmte, waren sie nun sehr weit gediehen und bald nach seiner Entfernung beendet. Sobald die Festons so geschmackvoll als möglich aufgehängt waren, wurde die staunenerregende Sammlung enthüllt. Und nun sah man auf einer zwei Fuß über dem Boden erhabenen Plattform, die um den
ganzen Saal herumlief und von dem rohen Publikum durch brusthohe, karmesinrote Stricke getrennt war, mannigfache lustige Gebilde von berühmten Persönlichkeiten, einzeln und in Gruppen, die in die Flittertrachten verschiedener Zonen und Zeiten gekleidet waren und mehr oder weniger schwach auf ihren Beinen standen; ihre Augen waren weit offen, ihre Nasenlöcher aufgeblasen, die Muskeln ihrer Arme und Beine sehr stark entwickelt, und alle ihre Gesichter drückten große Überraschung aus. Die Herren hatten alle Hühnerbrüste und dunkelblaue Schatten um die Bärte, und die Damen waren lauter Mirakelgestalten; und Herren sowohl als Damen sahen sehr aufmerksam nirgends hin und stierten mit außerordentlichem Ernst ins Blaue.
    Sobald sich Nellys erstes Entzücken über diesen glorreichen Anblick gelegt hatte, befahl Madame Jarley, daß alle, das Kind ausgenommen, den Saal verlassen sollten; dann ließ sie sich in der Mitte des Saales auf einen Armstuhl nieder, belehnte Nell in großer Förmlichkeit mit einer Weidenrute, die sie selbst lange beim Erklären der Figuren benutzt hatte, und gab sich viele Mühe, sie in ihre Pflicht einzuführen.
    »Das«, sagte Madame Jarley in dem Cicerone-Ton, als Nelly eine Figur am Anfange der Plattform berührte, »ist ein unglückliches Ehrenfräulein aus der Zeit der Königin Elisabeth, die an einem Nadelstich in den Finger starb, weil sie am Sonntag gearbeitet hatte. Betrachten Sie das Blut, das von ihrem Finger träufelt; auch die mit einem goldenen Öhr versehene Nadel, mit der sie näht, ist aus dieser Periode.«
    Nell wiederholte alles zwei- oder dreimal, deutete zur rechten Zeit auf den Finger und die Nadel und ging dann zur nächsten Figur über.
    »Dies, meine Herren und Damen«, sagte Madame Jarley, »ist Kaspar Packlemerton, entsetzlichen Angedenkens, der vier
zehn Weiber gefreit und geheiratet und sie alle umgebracht hat, indem er sie an den Fußsohlen kitzelte, während sie im Bewußtsein ihrer Unschuld und Tugend schliefen. Als er auf das Schafott gebracht und gefragt wurde, ob ihm seine Verbrechen leid täten,

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