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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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der Tür zurücktrat und bei dem Aufzucken eines neuen Blitzstrahls mit der Hand die Augen beschattete.
    »Warum wolltet ihr vorbeigehen, he?« fügte er hinzu, als er die Tür geschlossen hatte und über den Hausflur nach einem Hinterzimmer voranging.
    »Wir sahen das Haus nicht, bis wir Sie rufen hörten«, versetzte Nell.
    »Nimmt mich nicht wunder«, entgegnete der alte Mann, »zumal bei einem solchen Blitzen. Nun, ihr werdet guttun, an das Feuer zu treten und euch ein wenig zu trocknen. Braucht ihr etwas, so könnt ihr ja rufen. Und wenn ihr nichts haben wollt, braucht ihr keine Befehle zu geben. Ihr müßt euch nicht fürchten! Dies hier ist ein Wirtshaus, weiter nichts. ›Der tapfere Soldat‹ steht bei der ganzen Gegend in gutem Ansehen.«
    »Heißt dies Haus ›Der tapfere Soldat‹, Sir?« fragte Nell.
    »Ich hätte geglaubt, jedermann weiß das«, erwiderte der Wirt. »Wo kommt ihr her, wenn ihr ›Den tapferen Soldaten‹ nicht so gut kennt als euern Katechismus? Das ist ›Der tapfere Soldat‹ von James Groves – Jem Groves – des ehrlichen Jem Groves, eines Mannes von unbeflecktem, moralischem Charakter und Besitzers einer guten, trockenen Kegelbahn. Hat jemand etwas gegen Jem Groves einzuwenden, so soll er es Jem Groves ins Gesicht sagen, und Jem Groves kann ihm jedenfalls mit einem Burschen aufwarten, auf den man unter allen Umständen vierzig Pfund gegen vier wetten darf.«
    Mit diesen Worten klopfte sich der Sprecher auf die Weste, um damit anzudeuten, daß er der so hochgepriesene Jem Groves sei, boxte dann wissenschaftlich auf ein Porträt des Jem Groves los, das seinerseits aus einem schwarzen Rahmen über dem Kaminsims auf die Gesellschaft im allgemeinen herunterboxte, und trank schließlich, ein halbvolles Glas Grog an seine Lippen setzend, auf Jem Groves' Gesundheit.
    Da der Abend schwül war, so war ein großer Schirm als Schutz gegen die Hitze des Feuers durch die Stube gezogen. Es schien, als ob jemand auf der andern Seite des Schirmes über Herrn Groves' Bravour Zweifel geäußert und dadurch Anlaß zu diesen egoistischen Ergüssen gegeben hätte, denn Herr Groves bekräftigte seine Herausforderung, indem er mit seinen Knöcheln kräftig gegen die spanische Wand schlug und sodann innehielt, als erwarte er von der andern Seite eine Antwort.
    »Es gibt nicht viele Leute«, sagte Herr Groves, als die Antwort ausblieb, »die es wagen dürften, Jem Groves unter seinem eignen Dache in den Weg zu treten. Ich kenne nur einen einzigen Mann, der die Kraft dazu hat und der noch obendrein keine hundert Meilen von hier entfernt ist. Aber er ist
ein ganzes Dutzend Männer wert, und er mag daher von mir sagen, was er will – das weiß er.«
    Als Erwiderung auf die schmeichelhafte Anrede ertönte eine sehr rauhe und heisere Stimme, die Herrn Groves befahl, »sein Maul zu halten und ein Licht anzuzünden«. Zugleich bemerkte auch dieselbe Stimme, der genannte Herr »habe gar nicht nötig, seinen Atem mit Renommieren zu erschöpfen, denn die meisten Leute wüßten recht wohl, aus welchem Teig er gebacken sei«.
    »Nell, sie – sie spielen Karten«, flüsterte der alte Mann plötzlich interessiert. »Hörst du es nicht?«
    »Sorge für Licht!« fuhr die Stimme fort; »es ist so dunkel, daß man nur mit knapper Not die Augen auf den Karten unterscheiden kann, und schließe, so schnell du kannst, den Laden – willst du? Dein Bier wird vermutlich wegen des Donnerwetters heute abend um so schlechter sein. – Gewonnen! Sieben Schilling und sechs Pence auf meinen Teil, alter Isaak. Her damit!«
    »Hörst du, Nell – hörst du sie?« flüsterte der alte Mann abermals, und zwar noch angelegentlicher, als er das Geld auf dem Tische klingen hörte.
    »Hab ich doch nicht erlebt ein solches Unwetter«, sagte eine scharfe, schrille und höchst unangenehme Stimme, als ein fürchterliches Donnerkrachen verhallt war, »seit der Nacht, wo der alte Lukas Withers dreizehnmal hintereinander gewann auf den Roten. Wir haben gesagt alle, daß in ihm steckt des Teufels Glück und sein eigenes; und da es ist gewesen die richtige Nacht für den Teufel zum Ausgehen und Massematten zu machen, bin ich überzeugt, er hat ihm geschaut über die Schulter, nur hat man ihn nicht können sehen.«
    »Ah!« entgegnete die rauhe Stimme; »trotzdem der alte Lukas in den letzten Jahren durch dick und dünn gewonnen hat,
erinnere ich mich doch noch der Zeit, da ihm das Glück übel genug mitspielte. Er konnte nie einen Würfelbecher oder

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