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Der Raritätenladen

Der Raritätenladen

Titel: Der Raritätenladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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überzeugte sich, daß Miß Sophia Wackles in der Tat den Brief eigenhändig abgegeben hatte und daß sie ohne Zweifel anstandshalber in Begleitung einer jüngeren Miß Wackles gekommen war. Als sie hörte, daß Mr. Swiveller zu Hause sei, und sie aufgefordert wurde, hinaufzugehen, sei sie ganz entsetzt über diese Aufforderung gewesen und hätte erklärt, sie würde eher sterben als so etwas tun. Herr Swiveller hörte diesen Bericht mit einem Grade von Bewunderung, der sich mit dem eben entworfenen Projekte nicht sonderlich vertragen wollte; aber sein Freund legte nur wenig Wert auf sein Benehmen in dieser Hinsicht, wahrscheinlich weil er wußte, daß er hinreichenden Einfluß besaß, um Richard Swivellers Schritte in dieser wie in jeder andern Sache zu leiten, sobald es ihm nötig schien, zur Förderung seiner eignen Zwecke von seiner Macht Gebrauch zu machen.

Achtes Kapitel
    Nachdem also das Geschäftliche erledigt war, wurde Mr. Swiveller durch ein Knurren in seinem Innern daran gemahnt, daß es bald Mittag sei, und damit seine Gesundheit nicht durch ein längeres Fasten gefährdet werde, sandte er in das nächste Speisehaus mit dem Auftrag, daß man ihm sogleich gekochtes Ochsenfleisch und Gemüse für zwei Personen schic
ken möge. Das Speisehaus, das seinen Kunden aus Erfahrung kannte, weigerte sich jedoch, dieser Aufforderung zu entsprechen, und schickte die ungeschliffene Antwort zurück, wenn Herr Swiveller Ochsenfleisch benötigte, solle er gefälligst selbst an Ort und Stelle kommen, um es dort zu verspeisen; als Tischgebet möge er aber den Betrag einer gewissen kleinen Rechnung, die schon seit langem auf der Tafel stehe, mitbringen. Nicht im mindesten durch diese Zurückweisung eingeschüchtert, sondern gewitzigter und durch Hunger kühner gemacht, sandte Herr Swiveller denselben Boten nach einem andern, entlegeneren Speisehause und ließ sagen, der Herr müsse so weit schicken, nicht nur weil das dortige Ochsenfleisch so berühmt und geschätzt wäre, sondern weil das Fleisch bei seinem widerspenstigen Wirt so zähe sei, daß es nicht bloß für den Herrn, sondern auch für die ganze Menschheit ungenießbar wäre. Der gute Eindruck dieses politischen Verfahrens ließ sich aus der schleunigen Ankunft einer kleinen, wunderlich aus Tellern und Deckeln konstruierten zinnernen Pyramide entnehmen, bei der die Platte für das Ochsenfleisch die Basis und eine schäumende Halbmaßkanne die Spitze bildete. Als das Gebäude in seine einzelnen Bestandteile zerlegt wurde, fanden sich alle notwendigen und erforderlichen Ingredienzien eines kräftigen Mahles, dem Herr Swiveller und sein Freund mit großem Appetit und Behagen zusprachen.
    »Möge der gegenwärtige Augenblick der schlechteste in unserm Leben sein«, sagte Dick, indem er seine Gabel in eine große, rote Kartoffel steckte. »Ich habe es gern, wenn man dieses Gewächs in der Schale schickt, denn es ist eine Lust, eine Kartoffel aus ihrem Geburtselement – wenn ich mich so ausdrücken darf – zu ziehen, ein Genuß, der dem Reichen und Mächtigen fremd ist. Ach!
    Der Mensch braucht wenig nur hienieden,
    Und braucht das Wenige nicht lang. [ 2 ]
     
    Welch ein wahres Wort! – wenn man nämlich gespeist hat.«
    »Ich hoffe, der Wirt wird sich gleichfalls mit wenigem begnügen und dieses Wenige lange nicht brauchen«, versetzte sein Gefährte. »Vermutlich bist du nicht mit den Mitteln versehen, das Essen zu bezahlen?«
    »Ich gehe gleich nachher an dem Hause vorbei und will dann vorsprechen«, sagte Dick mit bedeutungsvollem Blinzeln. »Der Kellner kann nichts mehr machen. Die Speisen sind verzehrt, Fritz, und damit hats ein Ende.«
    In der Tat schien auch der Kellner diese heilsame Wahrheit zu fühlen, denn als er zurückkehrte, um die leeren Schüsseln und Teller zu holen, zeigte er große Unruhe, als ihm Herr Swiveller mit würdevoller Nachlässigkeit bedeutete, er wolle demnächst die Sache im Vorbeigehen ins reine bringen, murmelte etliche Bemerkungen über ›Bezahlung bei Ablieferung‹, ›nichts auf Borg‹ und andere unangenehme Dinge, mußte sich aber endlich doch mit der Frage zufriedengeben, zu welcher Stunde der Herr möglicherweise vorsprechen würde, damit er zugegen sein könne, weil er persönlich für das Rindfleisch, das Gemüse und so weiter verantwortlich sei. Nachdem Herr Swiveller mit größter Sorgfalt im Geiste seine Beschäftigungen ausgerechnet hatte, versetzte er, er wolle zwischen zwei Minuten vor und sieben Minuten nach sechs

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