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Der Rat der Zehn

Titel: Der Rat der Zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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kannte ihn jetzt. Sie dachten, er sei ein Killer.
    Es gab keinen Ausweg mehr.
    Selinas hatte fünfunddreißig Minuten in der Miami-Flughafenbar gewartet, dieses Mal auf dem östlichen Terminal, als sein Kontaktmann schließlich eintraf. Alle Nischen waren besetzt, so daß Giblet gezwungen war, sich an die Bar zu setzen.
    »Ich habe Ihnen einen Hocker reserviert«, sagte Selinas und deutete darauf. »Es war nicht leicht. Der Morgenregen muß eine Menge Flüge verzögert haben.«
    »Das Wetter war schon besser.« Giblet ließ sich nieder und rückte seinen Hocker näher zu Selinas. »Wir haben noch eine Angelegenheit, die Ihre Aufmerksamkeit erfordert.«
    »Vier in einer solch kurzen Zeitspanne? Das ist ziemlich ungewöhnlich, fast noch nie dagewesen.«
    »Die Umstände erfordern es.«
    »Wie wohl auch das Objekt. Wer ist es?«
    »Wir kennen seinen genauen Aufenthaltsort nicht, aber ist im Großraum Miami, und die Zeit ist entscheidend.«
    »Ist sie das nicht immer? Sagen Sie mir einfach, wer das Ziel ist!«
    »Ein junger Mann namens Andrew Jordan, aber er wird Drew genannt …«

10
    Die Lichter der Hoysterstraße in Prag erschienen einladend, als Elliana Hirsch langsam durch das belebteste Nachtlebenviertel der Stadt ging. Ihre früheren Reisen nach Prag hatten in ihr ein romantisches Gefühl für die Stadt hinterlassen. Vielleicht war es das seltsame Nebeneinander von Vitalität und Repression, mit dem Prag umgehen konnte. Kommunistisch eher durch Gewalt als durch Wahl, war Prag dennoch in der Lage gewesen, sich, wenn auch gedämpft, das Flair und die Stimmung einer westlichen Stadt zu erhalten. Sah man von dem gelegentlichen Anblick eines patrouillierenden Milizionärs ab, der sich der Tschechoslowakei mehr verpflichtet fühlte als der Sowjetunion, würde ein Fremder wahrscheinlich kaum merken, daß dies eine kommunistische Hochburg war.
    Heute nacht gingen die Leute mit gesenkten Köpfen, um sich gegen das Wetter zu schützen. Arktische Winterböen ließen die Gegenwart des Winters frühzeitig spüren, mit Winden, die durch die Straßen fegten und den ersten richtigen Schnee der Saison herumwirbelten.
    Elliana stapfte hindurch und dachte daran, wie wenig sie Kälte und den Winter im allgemeinen mochte. Es war nicht schwer für sie gewesen, nach Prag zu gelangen. Der Mossad konnte ihre Kontakte abschneiden, aber ihre Tarnexistenzen und Papiere waren ihr geblieben. Vielleicht konnten sie unbrauchbar gemacht werden, aber sie wußte, Isser, Moshe und die anderen würden nicht wollen, daß sie Feinden in die Hände fiel. Ihre verschiedenen Transitwege, die sie über die Jahre hinweg erkundet hatte, offen zu lassen, war also eine Art Kompromiß. Aber wenn sie in Schwierigkeiten geriet, würde von ihren ehemaligen Vorgesetzten keine Hilfe kommen. Und, schlimmer noch, welche Angst vor Vergeltung auch immer mögliche Feinde früher von Schritten gegen sie abgehalten hatte – diese Angst würde nun wegfallen. Egal. Sie hatte nicht vor, lange in Prag zu bleiben.
    Die Sauberkeit der Stadt beeindruckte sie immer. Kein einziges Stückchen Abfall, nicht einmal eine Zigarettenkippe war auf den Straßen zu finden. Kommunismus schien auch seine Vorteile zu haben. Sie ging behutsam weiter auf ihrem Weg zu einer Bar, die übersetzt ›Freunde und Mehr‹ hieß. Der Besitzer war nur als Anatoly bekannt, ein wirklicher Charakter, einer der farbigsten der gesamten Stadt.
    Man wußte wenig über den mysteriösen Anatoly. Selbst das Geschlecht war ein Geheimnis. Die beste Information besagte, daß Anatoly eine Frau war, die sich sehr anstrengte, ein Mann zu sein. Ellie hatte ihn/sie erst einmal getroffen und war nicht in der Lage gewesen, sich in dieser Hinsicht zu entscheiden. Es kümmerte sie auch nicht. Was zählte war, daß Anatoly – Mann oder Frau – ein Warenhaus von Informationen war, damit handelnd, wann immer sich die Notwendigkeit ergab.
    ›Freunde und Mehr‹ war eines der wenigen offenen Lokale in Prag, wo Prostituierte, Drogen und so ziemlich alles andere für den richtigen Preis zu bekommen war. Die Behörden kehrten der Einrichtung meistens ein taubes Ohr oder ein blindes Auge zu. Anatoly war zu empörend, um akzeptiert zu werden, aber zu beliebt, um nicht toleriert zu werden.
    Elliana hatte ›Annie‹, wie Anatoly von Freunden genannt wurde, einmal in einer besonders harten Sache geholfen, als es zwei Mördern, die Annie in den Knast gebracht hatte, gelungen war, zu fliehen und zurückzukehren, um Rache zu

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