Der rauchblaue Fluss (German Edition)
gelang, auf diese jungfräulichen neuen Märkte vorzudringen, konnten mit enormen Profiten rechnen. Aufgrund seines Ansehens in der Kaufmannschaft wurde Bahram als einer von wenigen Nicht-Briten aufgefordert, in das Unternehmen zu investieren, und da man sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen lassen durfte, fügte er der Ladung der Lord Amherst fünfzig Kisten hinzu.
Doch die Mission schlug fehl: Ein Unwetter zwang das Schiff, in einem chinesischen Hafen Schutz zu suchen. Auf die Frage der örtlichen Behörden, was sie so weit nördlich zu suchen hätten, antworteten die Offiziere, ein Sturm habe sie auf der Fahrt von Kalkutta nach Japan vom Kurs abgebracht – eine völlig einleuchtende Erklärung, nur hatten sie Traktate in chinesischer Sprache an Bord, die wenig Zweifel an ihren wahren Absichten ließen. In weiser Voraussicht machten sie außerdem falsche Angaben zum Namen des Schiffes, damit die Ostindien-Kompanie im Falle eines Protests seitens der Regierung die Eignerschaft leugnen konnte. Doch auch damit hatten sie keinen Erfolg, denn den chinesischen Beamten gelang es auf ihre übliche entnervende Art, den wahren Sachverhalt zu ermitteln.
An dieser Stelle setzte Punhyqua nun an und wandte sich direkt an Bahram. »Damals Li Zexu, er Gouverneur Kiangsi. Er savvy all. Vielleicht er denk, England-Mann sag zu viel Lüge all Zeit.«
Bahram lachte. »Ist wahr«, sagte er. »England-Mann sagt viel Lüge. Aber er wie wir: Er mag Käsch.«
Jedenfalls schien der Zwischenfall mit der Lord Amherst einen tiefen Eindruck bei Lin Zexu hinterlassen zu haben. Nachdem er in Huguang seinen nächsten Posten angetreten hatte, führte er eine massive Kampagne zur Ausrottung des Opiums durch, und als der Mann, der er war, hatte er damit weit mehr Erfolg als jeder andere vor ihm. Er hatte sich zu einem solchen Experten für den illegalen Opiumhandel entwickelt, dass er als einer von wenigen Auserwählten beauftragt wurde, dem Sohn des Himmels darüber Bericht zu erstatten – seine Denkschrift erwies sich als die umfassendste, die je zu diesem Thema erstellt worden war.
Punhyqua beugte sich wieder vor. »Mr. Moddie, Lin Zexu, er savvy all«, sagte er. »All, all. Hab so viel Spion. Sabbi, wie Cargo komm, wer bring, wohin geh. All savvy. Wenn werd Gouverneur in Kanton, viel schlecht Tag für Handel.«
»Aber noch ist nichts entschieden, nein?«
»Nein. Noch nicht«, sagte der Dolmetscher. »Aber Kaiser sieht Gouverneur Lin vielmal schon. Er ihm gibt Erlaubnis, in Peking Pferd reiten. Ist großes Zeichen. Leute sagen, Kaiser erklärt, dass nicht kann treten gegenüber Schatten von Ahnen, bis Opiumhandel ausgemerzt in China.«
»Haben das nicht schon andere versucht?«, fragte Bahram. »Sogar der jetzige Gouverneur versucht es: Razzien, Hinrichtungen, Durchsuchungen – davon hören wir doch ständig. Trotzdem geht es weiter.«
Punhyqua beugte sich erneut vor und tippte mit einem Fingernagel auf Bahrams Knie. »Gouverneur Lin nicht wie ander Mandarin«, sagte er. »Wenn er komm Kanton, so viel Ärger, Mr. Moddie. Wenn Cargo hab, besser verkauf jetzt, jaldi chop-chop.«
»Na«, sagte Fitcher, »das kann doch nur Billy Kerr sein, von dem da die Rede war.«
Paulette sah von Robins Brief auf. »Aber Sir, der Mann, der die Welt mit der Tigerlilie, dem Kegelwacholder und der Kamelie bekannt gemacht hat, war doch bestimmt kein Opiumraucher?«
»Oh, der hatte auch sein Päckchen zu tragen, der arme Billy Kerr … «
Kerr war schon mehrere Jahre in China, als Fitcher ihn im Winter 1806 in Kanton kennenlernte. Er war damals Mitte zwanzig, etwas jünger als Fitcher: ein kräftiger, hochgewachsener Schotte mit mehr Energie und Ehrgeiz, als er nutzbringend anwenden konnte, und als »Königlicher Gärtner« nach Kanton gekommen. Dort musste er feststellen, dass dieser pompöse Titel in der britischen Faktorei, in der es ähnlich steif zuging wie auf einem Herrensitz in England, nichts galt. Ein Gärtner war schließlich nur ein Diener, und man erwartete von ihm, dass er sich auch so benahm: Er hatte sich unter den Dienstboten zu bewegen und von seinen Vorgesetzten fernzuhalten.
Zwar war Billy tatsächlich mit Erde unter den Nägeln zur Welt gekommen – schon sein Vater war Gärtner gewesen und sein Großvater vermutlich ebenfalls, aber er war ein aufgeweckter, arbeitsamer Bursche, der es zu etwas bringen wollte und seine Botanikbücher gründlich studiert hatte. Die Stellung in der britischen Faktorei entsprach nicht gerade seiner
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