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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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lächelnd und nickte heftig. »Kann Mister Barry bring Honam chop-chop. Boot kann fahr fiti-fiti.«
    Erst jetzt sah Bahram, dass das Boot sowohl mit Segeln als auch mit sechs Rudern bestückt war; zu Chi-meis Zeiten war es stets vertäut gewesen, nicht ein einziges Mal hatte er es in Bewegung gesehen.
    »Warum Mister Barry nix fahr Honam mit Allow?«
    Einen Moment lang war Bahram versucht, Allows Angebot anzunehmen, doch sein Instinkt sagte ihm, dass es eine List war, mit der Allow ihn zu einem Geschäft bewegen wollte; zudem fühlte er sich nicht in der Verfassung, sich den Erinnerungen und Assoziationen zu stellen, die das Boot zweifellos wachrufen würde.
    »Nein, Allow«, sagte er. »Nix kann fahr. Hab schon Boot; Laternboy bring.«
    Zum Glück kam Apu in diesem Moment zurück, er hatte ein Boot gefunden, und Bahram konnte sich ohne ein weiteres Wort entfernen.
    Das Bankett sollte in einem Pavillon mit hohen Fenstern und einem Dach in Form eines fliegenden Vogels stattfinden. Er stand an einem Lotosteich, der von Papierlaternen wie von Dutzenden kleiner Monde erhellt wurde.
    Auf einer Bühne an einer Seite des Pavillons spielten Musiker auf Saiteninstrumenten, die Möbel waren mit scharlachroten Tapisserien bedeckt, und in der Mitte standen mehrere Tische mit Stühlen. Auf jedem Tisch warteten kleine Schüsseln und Schalen mit Mandelmilch, gerösteten Nüssen, getrockneten und kandierten Früchten, Melonenkernen und Orangenstücken, an jedem Platz ein ganzes Sortiment Schalen und Essgeräte: Porzellannäpfchen, Löffel und Trinkbecher, Zahnstocher in rot-weißen Papierhüllen und natürlich elfenbeinerne Essstäbchen auf Ständern aus Ebenholz.
    Punhyqua entstammte einer Familie, die seit je enge Beziehungen zu den Kaufleuten aus Bombay unterhielt. Als ein Mandarin einmal eine Unsumme als Provision von seiner Firma verlangte, hatte ihm eine Gruppe von Parsen ein Darlehen zu großzügigen Bedingungen gewährt; ohne ihre Unterstützung hätte sein Handelshaus möglicherweise nicht überlebt. Punhyqua hatte ihnen das nie vergessen, und an seinem Tisch genossen die Parsen stets besondere Hochachtung. An diesem Abend wurde Bahram wie schon bei früheren Gelegenheiten der Ehrenplatz zur Linken das Gastgebers zugewiesen.
    Das Mahl begann mit einer Runde Trinksprüchen, in deren Verlauf die Becher mehrmals mit warmem Reiswein nachgefüllt wurden. Dann wurden die ersten Speisen aufgetragen, jeweils von Punhyqua erläutert: Das hier seien »steinerne Ohren«, ein bei Mönchen sehr beliebtes Gericht aus einer Fischart, die mit schwarzem Essig und Pilzen gekocht werde; der wirre Haufen dort drüben seien frittierte Meeresfrüchte, die zitternde Masse da ein aus Hirschhufen bereitetes würziges Gelee; diese Köstlichkeiten hießen »japanisches Leder« und müssten vor dem Verzehr tagelang mazeriert werden; die Schale dort enthalte saftige geröstete Raupen, eine Art, die man nur in Zuckerrohrfeldern finde.
    »Barry, Sie mag–nix-mag ah?«
    »Mag so viel! Sehr gut! Sehr gut!«
    Im Gegensatz zu den anderen Ausländern am Tisch zögerte Bahram nicht, von jeder der Speisen zu kosten. Er hielt sich etwas darauf zugute, dass er keine Vorurteile in Bezug auf die Ingredienzien hegte; wichtig waren ihm nur Aroma und Geschmack. Für einen unvoreingenommenen Gaumen wie den seinen, erklärte er erfreut, gebe es keinen Zweifel, welches Gericht das beste sei: die zuckerrohrgesüßten dicken Raupen.
    Es folgte eine Gemüsesuppe namens »Buddha springt über die Mauer«, die zurzeit in Mode war, eine Köstlichkeit aus der Provinz Fujian, von einem Koch zubereitet, den man eigens von dort hatte kommen lassen. Zwei Tage und an die dreißig Zutaten hatte er dafür benötigt – knackige Bambussprossen und glitschige Seegurken, zähe Schweinesehnen und saftige Meeresmuscheln, Tarowurzeln und Seeohren, Fischlippen und Pilze – eine Symphonie sorgfältig aufeinander abgestimmter Kontraste in Konsistenz und Geschmack, von der es hieß, sie habe schon so manchen Mönch dazu verleitet, seine Gelübde zu brechen.
    Eine kurze Ruhepause trat ein, in der wieder mehrere Trinksprüche ausgebracht wurden. Inzwischen hatte sich die Atmosphäre so weit gelockert, dass Bahram sich endlich Punhyqua zuneigen und ihn fragen konnte: »Ist wahr, dass neuer Mandarin nach Kanton kommt bald-bald? Ein Lin … Lin … «
    Der Name war ihm entfallen, aber Punhyquas Reaktion sagte ihm, dass der Magnat genau wusste, wen er meinte. Seine Augen weiteten sich, und er

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