Der rauchblaue Fluss (German Edition)
sprechen.«
»Wieso?«
»Ich weiß es nicht, Patrão, er hat es nicht gesagt.«
Charles King besuchte ihn nicht zum ersten Mal. Schon mehrmals hatte er um Spenden für wohltätige Zwecke gebeten, und gelegentlich hatten sich ihre Gespräche auch auf andere Themen verlagert. Einmal hatte er das Faravahar-Bild im daftar bemerkt und Bahram danach gefragt. Das war in einen langen Gedankenaustausch über die Natur von Gut und Böse und den ewigen Kampf zwischen Ahura Mazda und Ahriman gemündet.
Die Debatte von damals schien Bahram in seinem jetzigen Gemütszustand weit weg, aber er konnte Charles King nicht einfach abweisen. King unterhielt bekanntermaßen gute Beziehungen zu den Mandarinen, und es wäre unklug gewesen, ihn gegen sich aufzubringen.
»Schick ihn rauf, Vico.«
Die nächsten Minuten brachte Bahram damit zu, sich zu sammeln, und als der Besucher hereingeführt wurde, vermochte er ihn fast mit gewohnter Herzlichkeit zu begrüßen. »Ah, Charles! Sehr erfreut! Treten Sie ein, treten Sie ein!«
»Einen wunderschönen guten Tag, Barry.«
Bahram verbeugte sich und zeigte auf einen Sessel. »Bitte nehmen Sie Platz, Charles. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich komme zu Ihnen, Barry, weil mir die derzeitige Situation Sorgen macht. Wenn es so weitergeht, halte ich es für möglich, dass Großbritannien binnen Kurzem in China intervenieren wird. Und wozu? Um sicherzustellen, dass die Opiumeinnahmen in Bengalen weiter fließen, um eine Ware zu schützen, deren Konsum selbst für den chinesischen Heiden eine Schande ist.«
»Aber der Handel läuft doch schon ewig so, Charles«, sagte Bahram. »Sie erwarten doch nicht, dass sich daran über Nacht etwas ändert?«
»Nein, aber ändern muss sich etwas, und auch wir müssen uns ändern. Sie erinnern sich doch sicher, dass ich vor einiger Zeit den Vorschlag gemacht habe, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben.«
»Eine Verzichtserklärung? In Bezug worauf?«
Der Besucher holte ein Blatt Papier aus der Tasche und begann vorzulesen: »Wir, die Unterzeichneten, sind der Überzeugung, dass der Opiumhandel mit China zu Übelständen kommerzieller, politischer, sozialer und moralischer Natur geführt hat, dass er bei der Regierung dieses Landes Ärgernis erregt, bei den Behörden und im Volk Widerstand gegen die Ausweitung unseres Handels und die Freiheit unseres Wohnsitzes hervorruft und die Hoffnung auf wahre christliche Besserung schwinden lässt, und erklären hiermit, dass wir uns nicht länger an Erwerb, Transport oder Verkauf des Rauschgifts beteiligen werden, weder als Auftraggeber noch als Vermittler.«
Mr. King sah auf und lächelte. »Ich hatte gehofft, dies bei einer öffentlichen Versammlung zur Diskussion stellen zu können, aber leider ist niemand gekommen, und auf der Erklärung findet sich keine einzige Unterschrift außer meiner eigenen. Aber im Lichte der jüngsten Ereignisse, denke ich, werden viele gewillt sein, die Sache noch einmal zu überdenken.«
Bahram hatte sich unbehaglich in seinem Sessel bewegt. »Aber die Sache liegt nicht in unserer Hand, Charles. Sie glauben doch nicht, dass der Opiumhandel aufhört, wenn wir eine Erklärung unterschreiben? Andere würden an unsere Stelle treten – denn nicht wir sind für ihn verantwortlich, sondern die Chinesen. Sie sind es ja, die das Opium so sehr lieben.«
»Da bin ich nicht mit Ihnen einig, Barry«, sagte Mr. King. »Opium ist leicht verfügbar, und das macht es so attraktiv; der Zufluss der Droge schafft die Sucht.«
»Aber was schlagen Sie vor, Charles? In den Schiffen vor der Küste lagern Tausende von Opiumkisten. Was sollte denn mit der ganzen Ware geschehen?«
»Nun, ich will es frei heraus sagen, Barry: Meiner Meinung nach muss der gesamte Bestand ausgeliefert werden.«
»Ist das Ihr Ernst, Charles?«
Für einen Augenblick kam Bahram der Gedanke, Mr. King könnte scherzen, aber der aufrichtige Blick des jungen Mannes belehrte ihn sogleich eines Besseren.
Er räusperte sich bedächtig und legte die Fingerspitzen aneinander. »Aber Charles! Das ist doch ein sehr extremer Schritt, den Sie da empfehlen, nein? Ihnen ist doch wohl bewusst, dass viele Kaufleute nur deshalb Opium auf Lager genommen haben, weil es Hinweise darauf gab, dass die chinesische Regierung den Handel legalisieren könnte. Einige Mandarine haben, wie Sie sicher wissen, Memoranden in Umlauf gesetzt, in denen ebendies empfohlen wird.«
»Sie haben recht, Barry«, sagte Mr. King. »Als der Vorschlag, den
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