Der rauchblaue Fluss (German Edition)
will die Quelle dieses verheerenden Missbrauchs ein für alle Mal versiegen lassen, dieses unerhörte Übel mit Stumpf und Stiel ausrotten. Und sollte die Axt in seiner Hand zerbrechen oder das Schiff unter ihm versinken, wird er dennoch nicht ruhen, bis das Werk vollendet ist.‹«
»Steht da auch, an welche Maßnahmen der Kommissar denkt?«
»Ji, Sethji. ›Wir haben mit tiefster Ehrerbietung bereits ein Edikt empfangen, in welchem die Admirale aller Stützpunkte ebenso wie die Kommandeure der diversen Garnisonen und Militärstandorte angewiesen werden, Geschwader von Kriegsschiffen zu entsenden, um die Boote einheimischer Schmuggler zu beschlagnahmen und die vor Anker liegenden ausländischen Schiffe zu vertreiben. Mehrere Hundert Beschlagnahmen sind bereits erfolgt. Was jene Schurken angeht, die in diesem schändlichen Geschäft ergraut sind, so wird über sie die schlimmste Strafe verhängt werden, die das Gesetz vorsieht, wie geschehen im Falle des Verbrechers Ho Lao … ‹«
Diesmal unterbrach sich der Munshi selbst, ohne dass Bahram ein Wort gesagt hätte.
»Maaf karna – bitte entschuldigen Sie, Sethji.«
Seltsamerweise verstärkte das Bahrams Besorgnis nur noch. Was wusste der Munshi? Hatte das Personal über die Sache gesprochen?
In seinem Kopf begann es zu pochen, und er beschloss, sich für eine Weile hinzulegen.
»Das reicht für den Moment, Munshi. Ich rufe Sie, wenn ich wieder bereit bin.«
»Ji, Sethji.«
Nicht lange danach kam endlich einmal eine gute Nachricht: Schiffe ausländischer Eigner erhielten wieder die Genehmigung, Kanton anzulaufen und zu verlassen. Als der Verkehr wieder in Gang kam, wurde bekannt, dass zu der Opiumflotte, die noch immer bei den äußeren Inseln vor Anker lag, mehrere kürzlich aus Bombay und Kalkutta eingetroffene Schiffe hinzugekommen waren.
Bald erhielt Bahram eine Flut von Briefen, darunter einige, die über die Marktlage in Indien berichteten. Er erfuhr zu seinem Schrecken, dass die Mohnernte des letzten Jahres so reichlich ausgefallen war wie nie zuvor, dass die Märkte in Kalkutta und Bombay von Opium förmlich überschwemmt würden und der Preis des Rauschgifts eingebrochen sei. Möchtegern-Kaufleute in großer Zahl drängten in den Handel.
Für Bahram war das eine in vielerlei Hinsicht verheerende Nachricht. Es war schon bitter genug, dass er seine Schiffsladung zum halben Preis hätte kaufen können, wenn er nur noch einige Monate abgewartet hätte. Noch schlimmer aber war, dass er die Ware, falls sie unverkauft blieb, nun nicht mehr nach Bombay zurückschicken konnte – bei den derzeitigen Preisen in Indien hätte er nur noch einen Bruchteil der Kosten wieder hereingeholt.
Einige Tage später strömte ein neues großes Kontingent Kaufleute aus Bombay in die Stadt. Die meisten waren Parsen, einige wenige auch Muslime oder Hindus – überwiegend junge Männer, kleine Geschäftsleute, die Fanqui-Town noch nicht kannten. Einer von ihnen, Dinyar Ferdunji, war ein Verwandter von Shirinbai, den Bahram viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Umso überraschter war er, als ein hochgewachsener, kräftiger und auffallend gut aussehender junger Mann mit kantigem Kinn in seinen daftar spaziert kam.
»Dinyar?«
»Ja, fuaji.« Er begrüßte Bahram mit einem kräftigen Händedruck. »Wie geht es dir, fuaji?«
Bahram sah, dass er eine gut geschnittene Hose und einen Mantel aus feinstem Tuch trug. Seine Krawatte war perfekt gebunden, und auf dem Kopf hatte er statt eines Turbans einen schwarz glänzenden Hut.
Dinyar hatte Geschenke von Shirinbai und Bahrams Töchtern mitgebracht, Kleidung vor allem, zu Nouruz, dem persischen Neujahrsfest im März. Nachdem er sie Bahram übergeben hatte, ging er im daftar umher und musterte alles mit einem leicht belustigten Lächeln, plauderte währenddessen – auf Englisch – unentwegt weiter und richtete Grüße und Nachrichten von verschiedenen Leuten in Bombay aus.
Es erstaunte Bahram, dass Dinyar so fließend Englisch sprach, und er fragte ihn auf Gujarati: »Atlu sojhu English bolwanu kahen thi seikhiyu deekra – Wo hast du so gut Englisch gelernt, mein Sohn?«
»Ach, ich hatte einen Privatlehrer, Mr. Worcester. Kennst du ihn?«
»Nein.«
Dinyar war ans Fenster getreten und schaute auf den Maidan hinunter. »Fantastische Aussicht, fuaji! Das Zimmer würde ich zu gern irgendwann mieten.«
Bahram lächelte. »Dazu muss dein Geschäft erst einmal richtig in Gang kommen, dikra, so etwas ist teuer.«
»Aber das ist
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