Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Opiumhandel zu legalisieren, der chinesischen Regierung unterbreitet wurde, dachten wir bei Olyphant & Co. auch, dass es binnen Kurzem darauf hinauslaufen würde. Das war jedoch nicht der Fall. Die Memoranden wurden zurückgewiesen, und der kaiserliche Widerstand gegen den ›fremden Dreck‹ hält unvermindert an. Hatte es diesbezüglich noch Zweifel gegeben, so wurden sie am Morgen des zwölften Dezember doch wohl ausgeräumt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Bahram.
»Es muss Ihnen doch klar sein, Barry, dass der Gouverneur eine ganz bestimmte Absicht damit verfolgt hat, Ho Lao-kins Hinrichtung im Zentrum unserer Enklave zu inszenieren.«
Bahram senkte den Blick und schob die Hände in seinen choga. »Und welche Absicht, Charles?«
»Ich nehme an, Sie haben den Brief des Gouverneurs zu dieser Angelegenheit gelesen? Es war seine Antwort auf den Vorwurf der Kammer, er habe es an Respekt vor den ausländischen Flaggen mangeln lassen. Er schreibt: Die Todesstrafe für Ho Lao-kin war die Folge der schändlichen Einfuhr von Opium nach Kanton durch verderbte Ausländer; seine Hinrichtung vor den ausländischen Faktoreien sollte die Ausländer zum Nachdenken anregen – denn auch Ausländer, obwohl fern aller Zivilisation geboren und erzogen, haben ein Herz .«
Bahram musste plötzlich daran denken, wie Allow zu seinem Fenster aufgeschaut hatte. Er schauderte, und seine Hand suchte mechanisch die beruhigende Berührung mit dem kusti.
»Wussten Sie, Barry, dass die Behörden Gerüchten zufolge Ho Lao-kin ein umfassendes Geständnis abgerungen haben? Er soll gesagt haben, dass er schon in sehr jungen Jahren in den Opiumhandel eingeführt worden sei, von einem Kaufmann, der ihm eine Kugel des Rauschgifts geschenkt habe. Als er sein Urteil vernahm, soll er selbst darum gebeten haben, auf dem Platz hingerichtet zu werden.«
Bahram ertrug es nicht, noch länger zuzuhören. Mit großer Anstrengung brachte er ein Lächeln zustande. »Nun, Charles, das ist alles sehr interessant«, murmelte er, »und ich werde reiflich über Ihre Worte nachdenken. Bedauerlicherweise ist im Moment sehr viel zu tun – Sie verstehen sicher … «
»Aber natürlich.«
Charles King verabschiedete sich mit befremdeter Miene, und Bahram ging in sein Schlafzimmer und legte sich hin, die Hand auf dem kusti.
Der nächste Morgen brachte eine unheilverkündende Nachricht. Als Bahram seinen daftar betrat, erfuhr er, dass Lin Zexu nach Kanton unterwegs sei.
»Es ist bestätigt worden, Sethji«, sagte der Munshi. »Lin Zexu ist am Abend des einunddreißigsten Dezember vom Sohn des Himmels persönlich in sein Amt eingesetzt worden.«
»Also wird er der nächste Gouverneur, ja?«
»Nein, Sethji. Er wird sehr viel mächtiger sein als der jetzige Gouverneur. Seine Position ist die eines ›Kaiserlichen Hochkommissars‹, ›Yum-chae‹ auf Kantonesisch. Er wird eher so etwas wie ein Vizekönig sein und damit über Admiralen, Generalen und allen übrigen Beamten stehen.«
»Und was ist der Grund dafür?«
»Sethji, der Kaiser hat ihn beauftragt, dem Opiumhandel ein Ende zu setzen. Offenbar hat er bei Lin Zexus Ernennung unter Tränen geäußert, er könne seinem Vater und seinem Großvater nach seinem Tod nicht gegenübertreten, wenn das Opiumrauchen im Land nicht ausgemerzt sei.«
Bahram trat ans Fenster. »Sind Sie sicher, dass es sich hier nicht um bloßes Gerede handelt, Munshi?«
»Ji, Sethji. Der scheidende Gouverneur und der Vizegouverneur haben eine gemeinsame Mitteilung herausgegeben, eine sehr ernste Erklärung an die Adresse der ausländischen Kaufleute. Ich habe einige Passagen herausgegriffen.«
»Lesen Sie vor.«
»›In der Vergangenheit wurde Edikt um Edikt gegen das Opium erlassen, und wir, der Gouverneur und der Vizegouverneur, haben unsere Anordnungen und Ermahnungen viele Male wiederholt. Doch bis zuletzt hatten Sie nur Ihren Profit im Sinn, und unsere Worte waren in den Wind gesprochen. Nun sind die Gedanken des Kaisers in seinem tiefem Abscheu vor der verderblichen Angewohnheit des Opiumrauchens unablässig darauf gerichtet, das Land von diesem Laster zu säubern. In der Hauptstadt hat er den Ministern seines Hofes befohlen, Rat zu pflegen und Pläne zu entwerfen. Darüber hinaus hat der Kaiser nun einen hohen Beamten als seinen Sonderkommissar beauftragt, sich nach Kanton zu begeben, um hinsichtlich der Angelegenheiten des Seehafens Maßnahmen zu prüfen und zu ergreifen. Die Ankunft des Kommissars steht nun kurz bevor. Er
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