Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Kurzem, Mylord, haben Ausländer ihr Leben und Eigentum in wohl keinem Teil der Welt in größerer Sicherheit gewusst als in Kanton; die schwerwiegenden Ereignisse des 12. Dezember hinterlassen jedoch einen anderen Eindruck. Über einen Zeitraum von nahezu zwei Stunden befanden sich die ausländischen Faktoreien in der Gewalt eines gewaltigen aufgepeitschten Mobs, das Tor einer der Faktoreien wurde schwer beschädigt, und aus einer Pistole wurde ein Schuss abgegeben, vermutlich über die Köpfe der Menge hinweg, denn es wurde nachweislich niemand getroffen. Wäre dies jedoch der Fall gewesen, hätten die Regierung ihrer Majestät und die britische Öffentlichkeit erleben müssen, dass die Handelsbeziehungen mit China durch fur chtbare Szenen des Blutvergießens und der Verwüstung auf unbestimmte Zeit zum Erliegen kommen. Und all diese äußerst gravierenden Gefahren, Mylord, wurden heraufbeschworen um des Profits einiger weniger rücksichtsloser Individuen willen, deren Gebaren sich frag los auf die Überzeugung gründ et, dass sie von jeglicher Gesetzeskraft, britischer wie chinesischer, ausgenommen seien.‹«
Slade war während des Vorlesens rot angelaufen und rief nun angewidert aus: »Pah! Und das von einem Mann, der unser eigener Bevollmächtigter sein soll! Einem Mann, dessen Gehalt von uns gezahlt wird! Ein Judas ist er, weiter nichts, unser Untergang wird er sein!«
»Sie lassen sich zu leicht ins Bockshorn jagen, John«, entgegnete Dent gelassen. »Elliott ist nichts weiter als ein Funktionär, ein Handlanger. Die Frage ist nur, wessen Interessen er vertreten wird, unsere oder die der Mandarine.«
Ein Trommelwirbel kündigte den ersten Gang an, eine gehaltvolle Schildkrötensuppe. Während sie serviert wurde, spielte die Kapelle eine muntere Melodie, und im Schutze der Musik wandte sich Bahram an seinen Nachbarn: »Wie es scheint, Mr. Burnham, verzeichnet der Markt in Kalkutta einen starken Preisverfall. Konnten Sie größere Käufe tätigen?«
»Allerdings.« Mr. Burnham lächelte. »Ja, meine derzeitige Fracht ist die größte, die ich je verschifft habe.«
Bahrams Augen weiteten sich. »Dann finden Sie die jüngsten Versuche, eine Handelssperre zu verhängen, nicht beunruhigend?«
»Nicht im Geringsten«, antwortete Mr. Burnham selbstbewusst. »Ich habe sogar mein Schiff, die Ibis , nach Singapur geschickt, um noch mehr zu kaufen. Ich bin überzeugt, dass die Versuche, das Opium zu verbieten, angesichts der steigenden Nachfrage scheitern werden. Es liegt nicht in der Macht der Mandarine, sich gegen die elementaren Kräfte des Freihandels zu stemmen.«
»Sie meinen nicht, dass es sich auf uns hier in Kanton ungünstig auswirken wird, wenn wir Mr. Jardines feste Hand verlieren?«
»Im Gegenteil. Etwas Besseres konnte uns gar nicht passieren. So Gott will, wird mit unserer Unterstützung Mr. Dent in die Bresche springen. Und wenn Mr. Jardine in London ist, wird das ein wichtiger Aktivposten für uns sein. Als ein Mann von außerordentlichem Fingerspitzengefühl und großer Gewandtheit wird er sich bei Lord Palmerston zweifellos Gehör verschaffen. Und er wird auch auf andere Weise in der Lage sein, Einfluss auf die Regierung zu nehmen. Jardine weiß, wie er sein Geld anlegen muss, und er hat viele Freunde im Parlament.«
Bahram nickte. »Demokratie ist etwas Wunderbares, Mr. Burnham«, sagte er wehmütig, »ein fabelhafter tamasha: Das gemeine Volk ist beschäftigt, und Männer wie wir können sich um die wichtigen Dinge kümmern. Ich hoffe, Indien wird diese Vorteile eines Tages ebenfalls genießen können – und China natürlich auch.«
»Darauf trinken wir!«
»Hört, hört!«
Ein so ermutigendes Gespräch hatte Bahram lange nicht mehr geführt; es erhöhte den Genuss des Abends für ihn beträchtlich. Die trübsinnigen Stimmungen, die ihn in letzter Zeit heimgesucht hatten, schienen sich zu verflüchtigen, sodass er seine Aufmerksamkeit ganz dem Essen widmen konnte – und es war fraglos das beste, das im britischen Hong je serviert worden war. Ein erlesener Gang folgte dem anderen, und am Ende hatte er den Speisen und dem Wein so kräftig zugesprochen, dass es geradezu eine Erleichterung war, als Mr. Lindsay eine Glocke läutete und sein Glas erhob.
Die ersten Toasts wurden auf die Queen ausgebracht, die nächsten auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten.
»So wie ein Vater sich voll Stolz der Stärken, der Talente und des Unternehmungsgeistes seiner Kinder erfreut«, sagte er mit
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