Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
Vom Netzwerk:
erhobenem Glas, »so erfreut sich Großbritannien voll Stolz der Gesundheit und wachsenden Lebenskraft seiner Abkömmlinge im Westen!«
    Es folgten zahlreiche Würdigungen des scheidenden Jardine, und von Zeit zu Zeit wurden, der festlichen Stimmung gemäß, übermütige Lieder wie etwa »Money in Both Pockets« und »May We Ne’er Want a Friend or a Bottle to Give Him« angestimmt. Dann spielte die Kapelle »Auld Lang Syne«, und als die letzten Töne verklungen waren, erhob sich Jardine und ergriff das Wort.
    »Lassen Sie mich Ihnen«, sagte er, »meinen aufrichtigen Dank dafür aussprechen, wie heute Abend auf meine Gesundheit getrunken wurde. Ich werde Ihre Freundlichkeit mit mir nehmen und sie in Erinnerung behalten, solange Leben in mir ist.«
    Von seinen Gefühlen übermannt, unterbrach er sich, um sich zu räuspern.
    »Ich habe lange Zeit in diesem Land gelebt und vermag einiges zu seinen Gunsten zu sagen: Wir finden uns hier wirksamer durch das Gesetz geschützt als in vielen anderen Gegenden des Orients oder der Welt; ein Ausländer kann in China bei offenen Fenstern schlafen, ohne um Leben oder Eigentum fürchten zu müssen, welche er von einer exzellenten, höchst wachsamen Polizei geschützt weiß; Geschäfte können mit beispielloser Leichtigkeit und für gewöhnlich auch in einzigartiger Weise auf Treu und Glauben getätigt werden. Unerwähnt lassen möchte ich auch nicht die Höflichkeit der Chinesen in jeglichem Umgang und Geschäftsverkehr mit Ausländern. Diese und einige andere Faktoren … «
    Man sah, wie tief gerührt Jardine war: Sein Blick wanderte zu seinem engsten Freund, und seine Stimme brach. Kein Laut war im Saal zu vernehmen, während er um Fassung rang. Er tupfte sich mit einem Taschentuch das Gesicht und fuhr dann fort: »Aus diesen Gründen kehren so viele von uns immer wieder in dieses Land zurück und halten sich über so lange Zeit hier auf. Ich schätze die Gesellschaft Kantons hoch, meine Herren, ich weiß aber auch, dass sie vordem und auch jüngst wieder als Schmugglerbande verunglimpft wurde, wogegen ich mich entschieden verwahre. Wir sind keine Schmuggler, meine Herren! Die chinesische Regierung, die chinesischen Beamten sind es, die sowohl selbst schmuggeln als auch beide Augen zudrücken und den Schmuggel unterstützen, nicht wir! Und sehen Sie sich die Ostindien-Kompanie an: Die Mutter allen Schmuggels und aller Schmuggler ist die Ostindien-Kompanie!«
    Ein Beifallssturm fegte durch den Saal, und Jardines letzte Sätze gingen darin unter. Nachdem er wieder Platz genommen hatte, hielt der Lärm unvermindert an, und es bedurfte längeren Läutens und Gongschlagens, um die Ruhe wiederherzustellen. Als nächster Redner war Ferdunji an der Reihe, und schon bei seinen ersten Worten wusste Bahram, dass er gut daran getan hatte, ihn mit der Rede zu betrauen. Seine Ankündigung des Abschiedsgeschenks erfolgte in wohlgesetzter Rede und einwandfreiem Vortrag. Besonders eindrucksvoll war der Schluss: »Es wird immer wieder gesagt, die Ostindien-Kompanie habe uns Parsen den Weg nach China gewiesen. Das ist zweifellos richtig, nur waren hier lediglich die Umstände der Zeit, der Epoche wirksam – denn wer würde behaupten wollen, dass der Geist des Freihandels ohne die Kompanie niemals seinen Weg hierher gefunden hätte? Niemand! Wir hätten zweifellos längst selbst den Weg nach China gefunden, und da wir nun – gegen viele Widerstände – hier sind, brauchen wir keine fremde Unterstützung, denn der Geist des Freihandels ist unabhängig, er genügt sich selbst und wird auch in Zukunft aus eigener Kraft wachsen und gedeihen.«
    Laute Beifallsrufe ertönten, und ein junger Mann, mitgerissen von der Begeisterung des Augenblicks, sprang auf eine Bank und trank auf »den Freihandel, den freien Welthandel, und die Überwindung aller Monopole, speziell des abscheulichsten von ihnen, des Hong-Monopols.«
    Er erntete stürmischen Applaus, vor allem in der Ecke des Saals, in der Dent und seine Freunde saßen. »Auf den Freihandel, meine Herren!«, rief Dent und erhob sein Glas. »Der Freihandel ist der reinigende Strom, der alle Tyrannen, ob groß oder klein, fortschwemmen wird!«
    Damit waren die Feierlichkeiten beendet, und Bedienstete eilten herbei, um Platz zum Tanzen zu schaffen. Die Kapelle spielte einen Walzer, und die Menge teilte sich, um Mr. Jardine und Mr. Wetmore durchzulassen, die nun Arm in Arm durch den Saal zur Tanzfläche schritten. Allen war bewusst, dass die beiden

Weitere Kostenlose Bücher