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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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in ihrer Zelle und brachte ihnen Essen und andere Dinge. Als Supercargo hatte ich einen Schlüssel zu der Zelle. Eines Abends baten mich die beiden, die Tür offen zu lassen. Das tat ich, und in der Nacht ergriff der junge Mann mit einigen anderen mitten in einem Sturm die Flucht. Am nächsten Tag fand man Hinweise darauf, dass ihr Boot gekentert war und alle umgekommen waren. Die Schuld bürdete man unglücklicherweise dem schuldlosen Zachary Reid auf, der jetzt noch immer in Kalkutta ist und sich zu rehabilitieren versucht. Ich selbst hatte eine andere Art von Strafe zu erleiden: Ich hatte meinen eben erst gefundenen Sohn wieder verloren – und ich empfand darüber einen so bitteren Schmerz, dass ich, als ich wieder in Kalkutta war, seine Frau und seinen Sohn aufsuchte … «
    Nur mit Mühe gelang es Nil, den Kopf auf sein biryani gesenkt und sein Kinn in Bewegung zu halten.
    »… die Nachricht von seinem Tod hatte sie schon erreicht, aber Sie werden erstaunt sein, Anil-babu, dass die Rani, eine Frau, die sich streng an Hindu-Sitten und -gebräuche hält, nicht das Weiß der Witwen trug. Sie hatte auch weder ihre Armreife zerbrochen noch das Zinnoberrot von ihrem Scheitel entfernt. Denn obwohl ihr Mann für tot erklärt wurde, trägt sie in ihrem Herzen die Gewissheit, dass er noch lebt. Und sie hat auch mich überzeugt, wie ich Ihnen gestehen muss. Sie bat mich, auf meinen Reisen nach ihm Ausschau zu halten. Ich sagte, ich würde ihn wohl kaum wiedererkennen, selbst wenn er noch am Leben wäre; mit Sicherheit hätte er einen anderen Namen angenommen und sein Aussehen verändert. Und er würde sich hüten, seine Identität preiszugeben, da er ja wisse, dass ich für Mr. Burnham arbeite, den Urheber seiner Enteignung und Verbannung. Aber sie wollte nichts davon hören. Sie sagte: ›Sollten sich wie durch ein Wunder je Ihre Wege kreuzen, müssen Sie ihm versprechen, ihn niemals zu verraten, denn er ist noch immer wie ein Sohn für Sie, so wie er noch immer mein Mann ist … ‹«
    »Halt!« Nil vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, dann beugte er sich vor und flüsterte: »Ist das wahr, Babu Nob Kissin? Haben Sie sie wirklich gesehen? Malati, meine Frau, und meinen Sohn Raj Rattan? Lügen Sie mich nicht an.«
    »Ja. Ich habe sie gesehen.«
    »Wie geht es ihr – meiner Frau?«
    »Sie kommt besser zurecht, als man denken würde. Sie unterrichtet Ihren Sohn und andere Kinder aus der Gegend. Weder Ihre Frau noch Ihr Sohn zweifeln auch nur eine Sekunde daran, dass Sie zurückkehren werden.«
    Nils Augen füllten sich mit Tränen, und er senkte den Kopf, um sie unbemerkt fortzuzwinkern. Er dachte an Malatis Gesicht, das er in der Nacht ihrer Hochzeit zum ersten Mal gesehen hatte; er war damals vierzehn gewesen, sie ein Jahr jünger. Er dachte daran, wie sie sich hinter ihren Schleiern versteckt hatte, sogar noch im Bett. Er dachte daran, wie sie das Gesicht abgewandt hatte, als er an ihren Hüllen zog. Und er dachte an den Tag, als sie ihn in Kalkutta im Gefängnis besucht hatte: Ihre obligaten Schleier waren verschwunden, und es war, als sähe er sie zum ersten Mal. Da erst erkannte er, dass das Mädchen, das er geheiratet hatte, zu einer Frau von außergewöhnlicher Schönheit herangereift war.
    Dass es Malati gelungen war, das Beste aus ihrer Situation zu machen, überraschte ihn nicht. Was ihn erstaunte, war, dass sie die Nachricht von seinem Tod nicht akzeptierte. Wie konnte sie wissen, dass er am Leben war? Ihre Gewissheit zeugte von einer Tiefe des Gefühls, die ihn sprachlos machte.
    »Und mein Sohn Raj Rattan?«
    »Er ist gewachsen, sagt seine Mutter, obwohl seit Ihrer Verbannung noch kein Jahr vergangen ist. Er ist ein mutiger, robuster Junge – oft droht er damit, dass er fortlaufen wird, um Sie zu suchen.«
    Nil dachte an den Tag, an dem die Polizei in den Raskhali-Palast in Kalkutta gekommen war, um ihn zu verhaften. Er hatte mit Raj Rattan auf dem Dach Drachen steigen lassen, und als man ihn holte, hatte er zu dem Jungen gesagt: »Ich bin in zehn Minuten wieder da … «
    »Ich muss ihm ein paar Drachen aus China mitbringen«, murmelte er. »Es gibt hier so schöne.«
    »Seine Mutter sagt, er bastelt sich selbst welche, aus Papier. Er denkt an Sie, wenn er sie steigen lässt, sagt sie.«
    Eine Weile wagte Nil nicht zu sprechen. Nicht nur die Erinnerung an seine Frau und seinen Sohn schnürte ihm die Kehle zu, sondern auch sein anfängliches Verhalten Babu Nob Kissin gegenüber. Dabei wäre

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