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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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alten, im Dienste ihrer Firmen ergrauten Freunde vielleicht zum letzten Mal miteinander tanzten. Bei ihren ersten Drehungen blieb kaum ein Auge trocken.
    Selbst Mr. Slade zerdrückte eine Träne. »Armer Jardine!«, rief er. »Er weiß noch nicht, wie sehr er unser kleines Bulgarien vermissen wird.«
    Selten war Bahram so in Tanzlaune gewesen, und er hatte Dent auch bereits um den Walzer gebeten. Doch was der perfekte Abschluss des Abends hätte werden sollen, wurde zu einer Quelle der Verwirrung und Beschämung. Gerade als Bahram Anstalten machte, Dent um die Taille zu fassen, drangen aus einer Ecke des Saals erregte Stimmen. Bahram drehte sich um und sah das Bombay-Kontingent in eine Art Streit verwickelt. Er eilte hin und stellte fest, dass einige seiner Mitglieder drauf und dran waren, sich mit einem halben Dutzend junger Engländer zu prügeln. Dinyar war zum Glück nicht unter ihnen, und mit ihm zusammen gelang es Bahram, die Ordnung wiederherzustellen. Der noch immer erhitzten Gemüter wegen hielt er es jedoch für besser, sein Kontingent aus dem Saal zu führen.
    Erst draußen blieb er stehen und fragte: »Was ist passiert? Was war da drinnen los?«
    »Diese haramzadas haben uns übel beschimpft, Seth. Hier sei kein Platz für Affen, haben sie gesagt, und wir sollten verschwinden.«
    »Waren sie betrunken? Warum habt ihr sie nicht einfach ignoriert?«
    »Wie denn, Seth? Wir haben so viel Geld für das Dinner gespendet, und dann nennen die uns Affen und Nigger!«

Vierzehntes Kapitel
    Markwick’s Hotel, 20. Februar 1839
    Meine liebe Maharani von Pagglenagor, Dein ergebener Diener Robin kann heute voll Stolz eine Entdeckung vermelden! Eine ganz erstaunliche Entdeckung – vielleicht ist es auch nur eine Vermutung, das vermag ich nicht zu sagen, und es spielt auch keine Rolle, denn ich habe – endlich! – Neuigkeiten, was Deine Bilder betrifft. Aber ich muss von Anfang an berichten …
    Die erste Hälfte dieses Monats verging wegen des chinesischen Neujahrsfestes wie im Fluge. Zwei Wochen lang ruhte jede Tätigkeit in der Stadt, es wurde bis zum Umfallen gefeiert, und die Gassen hallten wider von dem Ruf »Gong hei fa-tsai!« Und kaum waren die Festlichkeiten zu Ende – wer stand da vor meiner Tür? Ah-med! Du erinnerst Dich: Ah-med war der Bote, der mich zu Mr. Chan (oder Lynchong oder Ah Fey oder wie immer Du ihn nennen willst) nach Fa-Ti brachte. Ich war so lange ohne Nachricht von Mr. Chan gewesen, dass ich die Hoffnung, ihn noch einmal wiederzusehen, schon fast aufgegeben hatte, und so war ich ganz außerordentlich erfreut, Ah-med zu sehen. Ich will Dir nicht verhehlen, liebe Paggli, dass all meine Hoffnungen bezüglich der Aufgabe, die Mr. Penrose mir übertragen hat, auf Mr. Chan ruhen, denn außer ihm bin ich keiner Menschenseele begegnet, die mir Erhellendes zu der geheimnisvollen Goldkamelie hätte sagen können. Niemand hat sie gesehen, niemand hat von ihr gehört, niemand versteht, weshalb man ihr auch nur ein Fünkchen Aufmerksamkeit schenken sollte. So erfolglos blieben meine Nachforschungen, dass ich mich schon fragte, ob ich nicht erwägen sollte, Mr. Penrose das Geld zurückzuerstatten, das er mir so großzügig vorgestreckt hat. (Was mir allerdings höchst ungelegen käme, liebe Paggli, denn es ist bereits ausgegeben. Vor einigen Wochen nämlich hat mir Mr. Wong, der Schneider, einen ganz exquisiten pelzbesetzten Wolkenkragen gezeigt, und kaum hatte ich ihn erblickt, war mir klar, dass er das perfekte Neujahrsgeschenk für Jacqua wäre – und so war es auch. Jacqua fand ihn hinreißend und bedankte sich so überschwänglich und auf so interessante Weise, dass ich nicht im Traum daran denken könnte, den Kragen von ihm zurückzuerbitten … )
    Nun stand Ah-med also vor mir, und nachdem wir die üblichen chin-chins ausgetauscht hatten, teilte er mir mit, dass Mr. Chan für einige Tage nach Kanton zurückgekehrt sei und wissen wolle, ob ich bereits Bilder von Mr. Penrose erhalten hätte. Ich antwortete, sie seien mir vor mehreren Wochen zugesandt worden, ich hätte schon die ganze Zeit voll Ungeduld auf Nachricht gewartet und würde mich freuen, sie Mr. Chan baldmöglichst zeigen zu können. Daraufhin wurde Ah-meds Lächeln noch breiter, und er sagte, sein Herr halte sich ganz in der Nähe auf und würde mich gern sehen, jetzt sofort.
    »Kann! Kann!«, sagte ich. Ich holte noch rasch die Bilder aus meinem Zimmer, und los ging’s.
    Ich hatte mir vorgestellt, Ah-med würde mich in eine der

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