Der rauchblaue Fluss (German Edition)
geliefert wurde. Bahram kam auf die Idee, ein Abschiedsgeschenk für Jardine zu besorgen und unter den Parsen dafür zu sammeln. Innerhalb weniger Tage bekam er eine Summe im Gegenwert von tausend Guineen zusammen, und man einigte sich darauf, das Geld direkt an einen berühmten Silberschmied in England zu überweisen, der dafür ein mit Jardines Monogramm geschmücktes Tafelservice anfertigen sollte. Das Geschenk sollte bei dem Dinner öffentlich angekündigt werden, und die entsprechende Rede, so beschloss Bahram, sollte derjenige aus dem Bombay-Kontingent halten, der am geläufigsten Englisch sprach: Dinyar Firdunji.
Bis zum Abend des Dinners waren die Erwartungen so hoch gespannt, dass es den Anschein hatte, als könnte die Veranstaltung unmöglich halten, was sie versprach. Doch als Bahram das Konsulat betrat, konnte er nichts entdecken, was Enttäuschung hätte hervorrufen können. Das stattliche Treppenhaus war mit seidenen Behängen und emporstrebenden Blumenarrangements geschmückt, in dem improvisierten »Salon« leuchteten Jardines Initialen auf den Draperien, um die dorischen Säulen der Eingangshalle rankten sich bunte Blütengirlanden, auf den Kronleuchtern brannten bündelweise feinste Walratkerzen, und die vergoldeten Spiegel an den Wänden ließen den Raum doppelt so groß erscheinen. Sogar eine Kapelle war da: Die Inglis , ein Handelsschiff, das in Whampoa vor Anker lag, hatte eine Truppe Musiker geschickt, und zu Ehren von Jardines schottischer Abstammung wurden die Gäste mit Highlandmelodien unterhalten, während sie sich an ihre Plätze begaben.
Bahram hatte gleich zu Beginn die Gruppe der Parsen in seine Obhut genommen und war erfreut, welchen Eindruck sie mit ihren weißen Turbanen, den goldpunzierten jutis und den brokatenen chogas machten. Was allerdings die Sitzordnung anging, so hatte er entschieden, dass es für einen Taipan wie ihn nicht angemessen sei, mit der Bombay-Gruppe an einem gewöhnlichen Tisch zu sitzen. Stattdessen hatte er sich einen Platz am Tisch des Komitees an der Stirnseite des Saals gesichert.
Er saß zwischen Lancelot Dent und einem Neuankömmling, einem hochgewachsenen, stattlichen Mann mit einem glänzenden Bart, der seine halbe Brust bedeckte. Er kam Bahram bekannt vor, aber sein Name fiel ihm nicht gleich ein.
Dent half ihm auf die Sprünge: »Darf ich Ihnen Benjamin Burnham aus Kalkutta vorstellen? Vielleicht kennen Sie sich auch schon?«
Bahram kannte ihn nur flüchtig, doch da er wusste, dass Mr. Burnham ein Bundesgenosse von Dent war, schüttelte er ihm mit besonderer Herzlichkeit die Hand. »Sie sind noch nicht lange in Kanton, Mr. Burnham?«, fragte er.
»Erst seit ein paar Tagen«, antwortete Mr. Burnham. »Hatte endlosen Ärger mit den Behörden. Musste eine Zeit lang in Macao warten.« Mr. Slade, der rechts von Burnham saß, schaltete sich spöttisch lächelnd in das Gespräch ein. »Verlorene Zeit war das aber nicht, was, Burnham? Immerhin haben Sie den erlauchten Captain Elliott kennengelernt.«
Als Bahram den Namen des britischen Bevollmächtigten hörte, sah er sich kurz im Raum um. »Ist Captain Elliott heute Abend hier?«
»Keine Rede«, antwortete Slade, »er ist nicht eingeladen. Und wenn man ihn eingeladen hätte, bezweifle ich stark, dass er sich herbeigelassen hätte, das Brot mit uns zu brechen. Wir scheinen für ihn nicht viel besser zu sein als Banditen – er hat doch wahrhaftig die Stirn besessen, uns in einem Schreiben an Lord Palmerston als solche zu bezeichnen.«
»Im Ernst? Und wie ist Ihnen das zu Ohren gekommen, John?«
»Durch Mr. Burnham«, sagte Slade augenzwinkernd. »In einem Geniestreich sondergleichen hat er sich Kopien einiger von Captain Elliotts Depeschen nach London beschafft!«
Mr. Burnham wies das Verdienst an diesem Coup umgehend zurück. »Das war das Werk meines Gumashtas – ein pucka Schlitzohr, aber nicht ohne gewisse Qualitäten. Er ist Bengale und einer der Kopisten in Elliots daftar ebenfalls – mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.«
»Und was schreibt Captain Elliott?«
»Ha!« Slade zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Wo soll ich anfangen? Ah ja, hier, ein nettes Beispiel: ›Mir ist bewusst, Mylord, dass der Opiumhandel eine zunehmend nachteilige Wirkung auf sämtliche Wirtschaftszweige ausübt. Da er immer gefährlicher und verachtenswerter wird, ist abzusehen, dass er in die Hände immer verwegenerer Männer gelangt, die dem Ansehen der Ausländer wachsenden Schaden zufügen werden. Bis vor
Weitere Kostenlose Bücher