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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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Händen! Sie selbst haben zu entscheiden. Ich habe die Hong-Händler angewiesen, Sie in Ihren Faktoreien aufzusuchen und Ihnen den Sachverhalt zu erläutern. Ich setze eine Frist von drei Tagen, innerhalb deren sie mir eine Antwort zu unterbreiten haben. Im selben Zeitraum ist auch die oben erwähnte Verpflichtungserklärung vorzulegen. Gestatten Sie sich kein Aufschieben, kein Abwarten!‹«
    Bei den letzten Worten regte sich erneut empörte Unruhe. Niemand meldete sich jedoch zu Wort, bis Mr. Wetmore dem jungen Übersetzer gedankt und ihn zur Tür geleitet hatte. Er nahm wieder Platz und nickte Mr. Burnham zu.
    Mr. Burnham lehnte sich zurück und strich sich den seidigen Bart. »Rekapitulieren wir noch einmal, was wir soeben gehört haben«, sagte er ruhig. »Eine offene Drohung wurde gegen uns ausgesprochen. Unser Leben, unsere Freiheit sind in Gefahr. Aber das einzige Vergehen, das gegen uns angeführt wird, ist der Umstand, dass wir den Gesetzen des Freihandels folgen. Diese Gesetze nicht zu beachten ist uns genauso unmöglich, wie es uns unmöglich wäre, die Kräfte der Natur zu ignorieren oder Gottes Gebote zu missachten.«
    »Ach, kommen Sie, Mr. Burnham«, sagte Charles King, »Gott hat Sie ja wohl kaum aufgefordert, riesige Schiffsladungen Opium in dieses Land zu schicken, gegen den erklärten Willen seiner Regierung und unter Verletzung seiner Gesetze.«
    »Also bitte, Mr. King«, blaffte Mr. Slade, »muss ich Sie daran erinnern, dass die Kraft des Gesetzes nur unter zivilisierten Nationen gilt? Und was der Kommissar uns heute geboten hat, beweist – sofern es überhaupt eines Beweises bedarf – , dass dieses Land nicht dazugehört.«
    »Dann sind Sie also der Meinung«, sagte King, »dass keine zivilisierte Nation das Opium ächten würde? Das widerspricht den Tatsachen, Sir, wie uns die Praxis unserer eigenen Regierungen lehrt.«
    »Ich fürchte, Mr. King«, sagte Slade in einem Ton, der von Anzüglichkeit nur so triefte, »Ihre himmlischen Sympathien haben Sie der Fähigkeit beraubt, simples Englisch zu verstehen. Sie haben meine Worte falsch interpretiert. Die Natur der Drohungen des Kommissars weist ihn als ein Wesen außerhalb des Bereichs der Zivilisation aus. Droht er in seinem Brief nicht, die Bevölkerung gegen uns aufzuhetzen? Gibt er nicht zu verstehen, dass unser Eigentum und unser Leben von seiner Gnade abhängen? Ich versichere Ihnen, Sir, eine solch unerhört hochmütige und prahlerische Anmaßung würde sich kein Vertreter einer zivilisierten Regierung uns gegenüber erlauben.«
    »Meine Herren, meine Herren«, schaltete sich Mr. Wetmore ein. »Dies ist weder der Ort noch der Zeitpunkt für eine Diskussion über das Wesen zivilisierten Regierens. Darf ich Sie daran erinnern, dass man uns ein Ultimatum gestellt hat und unsere Freunde von der Cohong auf eine Antwort warten?«
    »Ein Ultimatum?«, sagte Mr. Slade. »Schon das Wort ist eine Beleidigung für britische Ohren. Darauf in irgendeiner Form zu reagieren hieße, eine Beleidigung der Königin selbst zu tolerieren.«
    An dieser Stelle pochte Mr. Dent mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Da gehe ich nicht mit Ihnen einig, Slade. In meinen Augen stellt dieses Ultimatum eine höchst willkommene Entwicklung dar.«
    »So? Und warum, wenn ich fragen darf?«
    »Der Feind hat die Flagge gehisst und seine erste Breitseite abgefeuert. Jetzt ist es an uns, darauf zu reagieren.«
    »Und was schlagen Sie vor?«, fragte Mr. Burnham.
    Dent blickte lächelnd in die Runde. »Nichts. Ich schlage vor, dass wir nichts tun.«
    »Nichts?«
    »Genau. Lassen wir unsere Freunde von der Cohong wissen, dass es sich hier um eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit handelt, in der nicht ohne angemessene Überlegung und Beratung verfahren werden darf. Sagen wir ihnen, dass dieser Prozess mehrere Tage in Anspruch nehmen kann. Das gibt uns die Zeit, herauszufinden, aus welchem Holz dieser Lin geschnitzt ist. Ein Ultimatum ist leicht zu stellen, aber schwer durchzusetzen.«
    Nachdem Dent seine Meinung kundgetan hatte, lehnte er sich zurück und begann auf einem Blatt Papier herumzukritzeln. Mr. Burnham unterbrach das Schweigen. »Sie haben recht, Dent! Das ist genial! Genau das müssen wir tun: nichts! Dann werden wir schon sehen, ob der Kommissar genauso beißt, wie er bellt.«
    Mr. Wetmore schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich glaube nicht, dass sich unsere Freunde von der Cohong mit einer solchen Antwort zufriedengeben werden. Ich darf auch daran

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