Der rauchblaue Fluss (German Edition)
in Besitz nehmen, es verbrennen und vernichten lassen und damit seine Unheil bringende Kraft ausschalten können. Kein Gran darf verborgen oder unterschlagen werden … ‹«
Das Murren, das schon eine geraume Weile durch den Saal lief, schwoll jetzt zu solch lautstarkem Protest an, dass der Übersetzer verstummte.
»… unsere gesamte Ladung ausliefern … ?«
»… damit sie verbrannt und vernichtet wird … ?«
»… aber Sir, das sind Fantastereien eines Wahnsinnigen, eines Tyrannen … !«
Mr. Wetmore hob die Hände. »Bitte, meine Herren, bitte! Das ist noch nicht alles, es geht noch weiter.«
»Was? Da kommt noch mehr?«
»Ja, der Kommissar stellt noch eine weitere Forderung«, sagte Mr. Wetmore. »Er verlangt eine Verpflichtungserklärung.« Er wandte sich an den Übersetzer. »Bitte, Mr. Fearon, lesen Sie uns diesen Teil des Edikts vor.«
»›Wie ich höre, messen Sie dem Ausdruck ›Treu und Glauben‹ in den Geschäften des täglichen Lebens große Bedeutung bei. Es soll deshalb eine in chinesischer und fremder Schrift abgefasste Verpflichtungserklärung aufgesetzt werden, die besagt, dass sich die fortan hier einlaufenden Schiffe in Zeit und Ewigkeit niemals wieder erdreisten werden, Opium mit sich zu führen. Sollte ein Schiff dies dennoch tun, wird die gesamte Ladung beschlagnahmt und die Besatzung getötet werden … ‹«
»Pfui!«
»… das ist unerträglich, Sir … !«
Ein solcher Aufschrei der Empörung ging nun durch den Saal, dass die Cohong-Kaufleute es mit der Angst zu tun bekamen, ihre Plätze verließen und hinter ihrem jeweiligen Gefolge Schutz suchten.
Mr. Wetmore konnte sich kein Gehör mehr verschaffen, und auch sein Hammer vermochte nichts mehr gegen den Tumult auszurichten. Eilig beratschlagte er mit den Komiteemitgliedern in der ersten Sitzreihe. »Es ist zwecklos, jetzt fortzufahren«, sagte er. »Hier kann ohnehin nichts entschieden werden. Das Komitee muss sofort zusammentreten. Die Cohong-Händler brauchen eine schnelle Antwort.«
»Will die Delegation warten?«
»Ja, sie bestehen darauf. Ohne eine Antwort dürfen sie nicht zurückkommen, sagen sie.«
Im Schutz des Lärms stahlen sich das Komitee und die Cohong-Abordnung durch eine Tür am hinteren Ende des Saals hinaus und verfügten sich in den dritten Stock. Das Komitee begab sich in den Sitzungssaal, die Cohong-Kaufleute wurden gebeten, in dem geräumigen Salon neben dem Büro des Präsidenten zu warten.
Als sie ihre Plätze einnahmen, sahen viele Komiteemitglieder zu ihrer Überraschung – einige auch zu ihrem Ärger – , dass Mr. Fearon zusammen mit dem Präsidenten eingetreten war. »Nanu, Sir«, wandte sich Mr. Slade an Mr. Wetmore, »sind Sie Ihrem jungen Freund so zugetan, dass Sie ihn ins Komitee aufgenommen haben?«
Mr. Wetmore maß ihn mit einem kühlen Blick. »Mr. Fearon ist hier, um uns den Rest des Edikts vorzulesen.«
»Da kommt noch mehr?«, fragte Mr. Dent.
»Allerdings.« Mr. Wetmore nickte dem Übersetzer zu, der nun fortfuhr:
»›Was jene nichtswürdigen Fremden anbelangt, die in den ausländischen Hongs wohnen und Opium zu verkaufen pflegen, so sind mir ihre Namen wohlbekannt. Ebenso wenig entziehen sich die Namen der guten Fremden, die nicht mit Opium handeln, meiner Kenntnis.‹«
Bei der Erwähnung der »guten Fremden« richteten sich mehrere wütende Augenpaare auf Charles King. Er gab vor, es nicht zu merken, und blickte starr geradeaus.
»›Jene, welche die nichtswürdigen Fremden angeben und sie nötigen können, ihr Opium auszuliefern, jene, welche als Erste vortreten und die Verpflichtungserklärung übergeben, jene sind die guten Fremden, und ich, der kaiserliche Gesandte, werde ihnen unverweilt ein Zeichen meiner Anerkennung zuteil werden lassen.‹«
Da konnte Mr. Slade nicht länger an sich halten und polterte los: »Das ist ja wohl der Gipfel der Abscheulichkeit! Er will die Verräter unter uns belohnen!«
Dabei sah er Charles King direkt an, sodass kein Zweifel bestehen konnte, wen er meinte. Mr. King verfärbte sich, und er setzte zu einer Antwort an, doch da schaltete sich Mr. Wetmore wieder ein.
»Bitte, meine Herren«, sagte er, »Mr. Fearon ist noch nicht zu Ende – darf ich Sie auch daran erinnern, dass er nicht Mitglied des Komitees ist und von keinem Aspekt unserer Beratungen Kenntnis erhalten sollte?«
Die Rüge ließ Mr. Slade verstummen, und der völlig verunsicherte Mr. Fearon las weiter:
»›Wohl und Wehe, Schmach und Ehre liegen in Ihren
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