Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Worten, an uns. Ich habe daraufhin unverzüglich unseren Übersetzer, Mr. Fearon, rufen lassen, der die vergangenen Stunden an der Übersetzung gearbeitet hat. Sie ist noch nicht fertiggestellt, er versichert jedoch, dass er in der Lage ist, uns die Bedeutung der wichtigsten Passagen des Dokuments zu vermitteln.«
Mr. Wetmore blickte in den Saal. »Sind Sie bereit, Mr. Fearon?«
»Ja, Sir.«
»Dann bitte, lassen Sie hören.«
Mr. Fearon legte einige Blätter auf das Pult und begann vorzulesen.
»›Bekanntmachung des kaiserlichen Kommissars, Seiner Exzellenz Lin Zexu, an die Fremden.
Wie allgemein bekannt, erzielen die Fremden, welche nach Kanton kommen, um Handel zu treiben, gewaltige Profite. Ihre Schiffe, in früheren Jahren nicht mehr als einige Dutzend jährlich, erreichen heute eine weit höhere Zahl. Wir fragen uns: Gibt es auf dem weiten Erdenrund unter dem Himmel irgendeinen anderen Handelshafen, der so reiche Gewinne abwirft wie dieser? Unser Tee und unser Rhabarber sind Waren, ohne die Sie, die Sie von weit her kommen, nicht imstande sind, Ihr Leben zu erhalten … ‹«
»Aha!« Mr. Slade grinste süffisant. »Da ist er, der Rhabarber – hab ich’s nicht gesagt?«
»›Sind Sie, die Fremden, dankbar für die Gunst, die der Kaiser Ihnen erweist? Dann müssen Sie unsere Gesetze einhalten und dürfen in Ihrem Streben nach Profit nicht anderen Schaden zufügen. Wie kann es also sein, dass Sie Opium in unser Land einführen, Menschen um ihr Hab und Gut bringen und sogar ihr Leben der Zerrüttung überantworten? Seit Dutzenden von Jahren verführen und verleiten Sie die Menschen Chinas, und unermesslich sind die Schätze, die Sie auf diese Weise angehäuft haben. Solches Tun weckt Empörung in jedem menschlichen Herzen und ist schlechterdings unentschuldbar in den Augen des Himmels … ‹«
In Mr. Burnham, der neben Bahram saß, brodelte es. »Und was ist mit dir, du verdammter Heuchler von einem Mandarin?«, murmelte er. »Du und deine schurkischen Kollegen, ihr mischt hier doch alle mit!«
»›… einst wurden die Verbote, mit denen das Opium belegt war, verhältnismäßig lax gehandhabt, jetzt aber ist der Zorn des Kaisers voll entbrannt, und er wird nicht eher ruhen, als bis das Übel mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist. Sie, die Sie sich als Fremde in unserem Land niedergelassen haben, sollten sich daher unseren Gesetzen ebenso beugen, wie die Chinesen selbst es tun.‹«
Ungläubiges Gemurmel war im Saal zu hören.
»… uns dem Langzopfgesetz beugen … ?«
»… den Holzkragen verpasst bekommen wie im finstersten Mittelalter … ?«
»… erdrosselt werden wie Ho Lao-kin … ?«
Wieder dieser Name! Bahram zuckte zusammen, und sein Blick wanderte zu den Cohong-Kaufleuten und ihrem Gefolge hinüber. Einer ihrer Dolmetscher senkte die Lider, als wollte er nicht dabei ertappt werden, dass er ihn anstarrte. Bahram geriet in Panik, sein Herz schlug schneller, und unwillkürlich schlossen sich seine Finger fester um seinen Stock. Er spürte, dass der Dolmetscher erneut zu ihm hersah, und zwang sich, ruhig zu bleiben. Bis er sich wieder gefasst hatte, war Mr. Fearon mit seinem Vortrag schon ein gutes Stück weiter.
»›… Ich, der kaiserliche Gesandte, stamme aus Fujian an der Küste des Meeres, und ich kenne all Ihre, der Fremden, Winkelzüge und Kunstgriffe genau. Sie haben derzeit eine große Zahl von Schiffen in Lintin und andernorts vor Anker liegen, Schiffe, in denen mehrere Zehntausend Kisten Opium lagern. Ihre Absicht ist es, sie heimlich loszuschlagen. Wo aber wollen Sie sie verkaufen? Von nun an ist das Opium definitiv verboten und darf nicht vertrieben werden. Jedermann weiß, dass es ein tödliches Gift ist. Weshalb also horten Sie es in Ihren Frachtern und lassen diese vor Anker liegen, da Sie dadurch doch Geld verlieren und die Schiffe zudem der Gefahr von Stürmen, Feuersbrünsten und anderem Unheil aussetzen?‹«
Mr. Fearon hielt inne und tat einen tiefen Atemzug.
»›In Anbetracht all dieser Umstände erlasse ich hiermit mein Edikt. Sobald es den Fremden zur Kenntnis gelangt, haben sie unverzüglich und mit dem gebotenen Respekt sämtliches Opium aus ihren Frachtern zu entladen und es den Beamten der Regierung auszuliefern. Die Kaufleute der Cohong haben sodann genau und namentlich zu prüfen, wer wie viele Kisten übergibt, sie haben deren Gesamtgewicht zu ermitteln und so weiter, sowie eine entsprechende Liste zu erstellen, sodass die Beamten alles Opium offiziell
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