Der rauchblaue Fluss (German Edition)
französisch und lateinisch und sagte ihm so gut wie nichts.
»Ist das Ihr Werk?«
»O nein! Ich habe nur die Zeichnung angefertigt, Sir – sonst nichts.«
»Und der Rest?«
»Ist das Werk meines … meines Onkels. Er war Botaniker und hat mich alles gelehrt, was ich weiß. Unglücklicherweise starb er, bevor er das Manuskript fertigstellen konnte, also überließ er es mir.«
Fitchers Augenbrauen begannen jetzt vor Neugier zu zucken: Die Gemeinschaft der Botaniker war so klein, dass man fast von einer Familie sprechen konnte; jedes Mitglied kannte alle anderen, entweder persönlich oder zumindest dem Namen und dem Ruf nach. »Und wer war Ihr Onkel? Wie war sein Name?«
»Lambert, Sir. Pierre Lambert.«
Ein halb erstickter Schrei entrang sich Fitchers Kehle, und er ließ sich auf den Stuhl sinken. »Also, das … ich … Mossjee Lambert! Ihr Onkel, sagten Sie? In welcher Beziehung standen Sie zu ihm?«
Wieder begann der Gärtner zu stottern und zu stammeln. »Nun ja, Sir … er war der Bruder meines Vaters … demnach bin ich … ich bin also sein Neffe, Paul Lambert. Seine Tochter Paulette ist meine Cousine.«
»Ach ja?«
Fitcher Penrose war nach eigenem Eingeständnis ein wenig misanthropisch veranlagt, aber ein guter Beobachter war er trotzdem: Plötzlich ergab alles einen Sinn – die schuldbewusste, überraschte Geste, mit der der junge Mann die Arme vor der Brust gekreuzt hatte, das mit Blüten verzierte Schlafzimmer. Er sah sich die Zeichnung noch einmal an und entdeckte eine Signatur.
»Von wessen Hand war die Zeichnung, sagten Sie?«
»Von meiner, Sir.«
Fitcher beugte sich tief über das Blatt. »Aber wenn ich mich nicht irre, lautet die Signatur nicht ›Paul‹, sondern ›Paulette‹.«
Außer Bahram selbst wusste nur noch Vico, dass die Anahita dreitausend Kisten Opium im hinteren Laderaum mit sich führte. Bahram und Vico hatten alles getan, um das geheim zu halten, hatten Frachtbriefe gefälscht, in kurzen Abständen die Stauer ausgewechselt und einige der Kisten falsch beschriftet. Es wäre unklug gewesen, bei der Wahrheit zu bleiben: Versicherungsschutz zu erlangen wäre schwieriger und Piraterie und Plünderung wahrscheinlicher geworden, denn es war nicht nur die teuerste Fracht, die Bahram je verschifft hatte, sondern möglicherweise sogar die wertvollste Ladung, die jemals per Schiff den indischen Subkontinent verlassen hatte.
Bahram war einer der ganz wenigen Kaufleute, die über die nötigen Beziehungen und den guten Ruf verfügten, um eine solche Sendung zusammenzustellen, denn wenn es um den Chinahandel ging, konnte ihm so gut wie keiner das Wasser reichen: Kaum ein indischer Kaufmann hätte sich rühmen können, mehr als drei- oder viermal nach Kanton gesegelt zu sein; Bahram hingegen hatte die Reise schon fünfzehnmal absolviert und dabei im Lauf der Jahre eines der größten und einträglichsten Handelsunternehmen in Bombay aufgebaut: die Exportabteilung von Mistrie Brothers.
Trotz ihrer führenden Stellung war die Firma traditionell auf ein recht begrenztes Gebiet spezialisiert, den Schiff- und Maschinenbau. Die Exportabteilung war Bahrams persönliche Schöpfung, und er war es auch gewesen, der sie aus kleinen Anfängen zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten der berühmten Schiffswerft ausgebaut hatte. Dabei war er auf nicht geringen Widerstand innerhalb des Unternehmens gestoßen; dass er sich nicht hatte entmutigen lassen, lag weitgehend an seiner unverbrüchlichen Loyalität gegenüber seinem Schwiegervater Seth Rustamji Pestonji Mistrie – dem Patriarchen, der ihn in die Familie aufgenommen und ihm geschäftlich auf die Beine geholfen hatte.
Wie viele andere, die ihr Glück durch eine vorteilhafte Eheschließung gemacht hatten, hielt auch Bahram große Stücke auf das Ansehen der Familie, in die er eingeheiratet hatte; überdies empfand er gegenüber den Mistries auch große Dankbarkeit, denn nur durch sie war es ihm möglich gewesen, seine bescheidene Herkunft hinter sich zu lassen.
Früher einmal war auch Bahrams eigene Familie wohlhabend und hatte eine führende Rolle in ihrer Heimatstadt Navsari, im Küstenstaat Gujarat. Sein Großvater war ein bekannter Textilhändler mit weitläufigen Beziehungen zu Fürstenhöfen wie denen in Barod, Indore und Gwalior. Nach Jahrzehnten umsichtigen, klugen Handelns aber tätigte er im fortgeschrittenen Alter eine Reihe unbesonnener Investitionen und häufte einen riesigen Schuldenberg an. Als Mann von kompromissloser
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