Der rauchblaue Fluss (German Edition)
aber als er sie an sich ziehen wollte, überlegte sie es sich anders.
»Mister Barry Bett nix gut. Mehr besser geh Boot. Komm, Mister Barry. Wir geh Boot. Komm Fluss. Ha-loy!«
»Warum?«, fragte er. »Chi-mei jetzt hier. Mehr besser bleib.«
»Nein«, beharrte sie. »Zeit für Fluss jetzt. Komm, Mister Barry. Hier nix gut.«
Die Versuchung war groß, aber irgendetwas hielt ihn zurück. »Nein. Nix Zeit jetzt. Kannix geh.« Er nahm ihre Hand. »Bleib hier, Chi-mei, bleib bei Mister Barry.«
Es kam keine Antwort, und als er zum Fenster schaute, war Chi-mei verschwunden. Die Läden waren geöffnet, und die Vorhänge flatterten im Wind.
Er wachte schweißgebadet auf und sah, dass der Wind das Fenster aufgedrückt hatte. Er stand auf und schloss es schnell wieder.
Er zitterte; zurück ins Bett konnte er in diesem Zustand nicht mehr. Er zündete eine Kerze an, holte seinen Schlüsselbund und ging in den daftar, wo er sich an den Sekretär setzte und die Schublade aufschloss. Der Lackkasten, den Chi-mei ihm geschenkt hatte, war natürlich noch da. Er nahm ihn heraus, wischte den Staub ab und öffnete den Deckel. Eine schön geschnitzte Elfenbeinpfeife lag darin, eine Metallnadel und eine kleine achteckige Dose, ebenfalls aus Elfenbein. Sie war leer, aber Bahram erinnerte sich, dass Vico ihm zu Beginn der Saison einen Behälter mit präpariertem Opium als Muster gebracht hatte. Er war in einer anderen Schublade eingeschlossen. Bahram fand den Schlüssel und öffnete sie: Auch der Behälter war noch da.
Er nahm alles mit in sein Schlafzimmer. Dann stellte er die Kerze auf den Nachttisch, öffnete den Behälter und spießte mit der Nadelspitze ein Klümpchen der braunen Paste auf. Er hielt das Opium über die Flamme, und als es zischend zu brodeln begann, gab er es in den Kopf der Pfeife und tat einen tiefen Zug.
Nachdem sich der letzte Rauchfaden verflüchtigt hatte, blies er die Kerze aus und lehnte sich gegen die Kissen. Er wusste, er würde in dieser Nacht gut schlafen, und verstandnicht, weshalb er nicht früher an das Opium gedacht hatte.
Am nächsten Tag wachte er viel später auf als sonst. Vor der Tür hörte er die Khidmatgars besorgt flüstern. Er erhob sich rasch und versteckte Pfeife, Lackdose und Opiumbehälter in einem Koffer. Dann öffnete er die Fenster und lüftete ein paar Minuten, ehe er die Khidmatgars hereinließ.
»Sethji«, sagte einer von ihnen, »Mesto hat Ihnen im daftar das Frühstück serviert.«
Der Gedanke an Essen verursachte Bahram leichte Übelkeit. »Ich habe keinen Hunger«, sagte er. »Mesto soll wieder abräumen, ich möchte nur Tee.«
»Sethji, der Munshi wollte wissen, ob Sie heute Arbeit für ihn haben. Es sagt, es sind Briefe zu beantworten.«
»Nein.« Bahram schüttelte den Kopf. »Sagt dem Munshi, es gibt heute nichts für ihn zu tun.«
»Ja, Sethji.«
Bahram verbrachte fast den ganzen Vormittag in einem Sessel am Fenster und blickte zum Fluss hinüber, dorthin, wo früher Chi-meis Boot gelegen hatte.
Gegen Mittag kamen Laskaren auf den Maidan, kletterten auf die Fahnenmasten und führten akrobatische Kunststücke vor. Das Spektakel gefiel Bahram, und er wollte die Geldprüfer bitten, den Burschen in seinem Namen ein Bakschisch zu geben. Aufzustehen und die Klingelschnur zu ziehen war ihm jedoch zu anstrengend, und er vergaß die Sache wieder. Am Nachmittag wurde es sehr heiß, und er beschloss, Siesta zu halten, doch als er sich hinlegen wollte, kam ihm der Gedanke, dass er nach einer Pfeife besser würde ruhen können, und so holte er die Utensilien hervor, rauchte ein wenig und streckte sich dann auf dem Bett aus.
Nie hatte er einen so tiefen Frieden verspürt.
Die Tage und Nächte begannen miteinander zu verschmelzen, und manchmal, wenn er das Läuten von der Kapelle hörte, dachte er verwundert daran, dass die Glocke einmal sein Leben bestimmt hatte.
Eines Tages meldete ein Khidmatgar, dass Zadig Bey gekommen sei. Bahram hatte keine große Lust, Konversation zu machen, aber es war zu spät, Zadig Bey war bereits in den daftar geführt worden. Bahram zog sich um, wusch sich das Gesicht und durchquerte den Flur. Dennoch schien Zadig Bey bei seinem Anblick zu erschrecken.
»Bahram-bhai, was ist mit Ihnen? Sie sind ja so mager geworden.«
»Ich?« Bahram sah an sich hinab. »Wirklich? Dabei esse ich so viel!«
So kam es ihm tatsächlich vor. Mittlerweile war er jedes Mal schon nach ein paar Happen übersatt.
»Und Sie sind auch so blass, Bahram-bhai. Ihre
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