Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Vereinigten Königreichs im Spiel. Er macht einen ganz erheblichen Teil der Territorialeinkünfte aus dem britisch-indischen Reich aus und darf nicht durch Wankelmütigkeit und Torheit im Umgang mit den derzeitigen Schwierigkeiten aufs Spiel gesetzt werden.«
Als Captain Elliott sah, dass sich das Blatt zu seinen Gunsten wendete, gestattete er sich ein Lächeln. »Wir werden nichts aufs Spiel setzen, das kann ich Ihnen versichern.«
Mr. Dent nickte. »Sollte es zu einem Waffengang kommen – und das wird es mit Sicherheit – , wird niemand, der Chinas Verteidigungskraft einigermaßen kennt, bezweifeln können, dass unsere Truppen obsiegen werden. Ebenso wenig kann ein Zweifel daran bestehen, dass die britische Regierung in der Folge sicherstellen wird, dass wir für unsere Verluste entschädigt werden, und zwar in für uns vorteilhafter Höhe.« Dent legte die Fingerspitzen aneinander und sah sich im Raum um. »Wir alle sind Geschäftsleute, ich brauche Ihnen also kaum zu erklären, was das bedeutet. De facto werden wir unsere Fracht nicht an Kommissar Lin übergeben.« Er unterbrach sich und bedachte seine Zuhörer mit einem Lächeln. »Nein, wir werden ihm ein Darlehen gewähren, ein Darlehen, rückzahlbar zu einem Zinssatz, der ihn zugleich für seine Arroganz bestrafen und unsere Geduld belohnen wird.«
Bahram schaute sich um und sah viele Köpfe zustimmend nicken. Er erkannte, dass er der Einzige war, den diese Wendung der Dinge in größte Bestürzung versetzte. Seine Besorgnis verstärkte sich noch, als Captain Elliott fragte: »Irgendwelche Einwände?«
Bahram hatte noch nie gern öffentlich gesprochen, schon gar nicht auf Englisch, aber den Ausruf, der jetzt aus ihm hervorbrach, konnte er nicht unterdrücken. »Ja, Captain Elliott! Ich protestiere!«
Captain Elliotts Miene verhärtete sich, als er sich Bahram zuwandte. »Wie bitte?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
»Sie dürfen nicht nachgeben, Captain Elliott!«, rief Bahram. »Bitte – Sie müssen hart bleiben. Wenn Sie jetzt nachgeben, wird dieser Mann … dieser Kommissar siegen, das muss Ihnen doch klar sein. Er wird siegen, ohne uns ein Haar zu krümmen, ohne eine Waffe anzurühren. Er wird siegen, weil er das schreibt« – Bahram zeigte auf die Blätter in der Hand des Übersetzers – , »er wird siegen, nur weil er das da schreibt, diese – wie nennen Sie es? Hukums? Chittis? Briefe?«
Captain Elliotts Miene verzog sich ausnahmsweise zu einem Lächeln. »Ich versichere Ihnen, Mr. Moddie, der Sieg des Kommissars wird von kurzer Dauer sein. Als Marineoffizier kann ich Ihnen sagen, dass Schlachten nicht von Briefschreibern gewonnen werden.«
»Und trotzdem hat er gewonnen, oder etwa nicht?«, beharrte Bahram. »Zumindest diese Schlacht, oder etwa nicht?« Anders vermochte er seine Verzweiflung, sein Gefühl, verraten zu werden, nicht auszudrücken. Er ertrug Captain Elliotts Anblick nicht länger. Wie hatte er je glauben können, dieser Mann werde eine für ihn, Bahram, günstige Lösung herbeizaubern?
Mr. Burnham hatte sich zu Bahram herumgedreht und sagte mit einem breiten Lächeln: »Aber verstehen Sie denn nicht, Mr. Moddie? Der Sieg des Kommissars – wenn es denn einer ist – wird rein illusorisch sein. Wir werden alles zurückbekommen, was wir jetzt aufgeben, und noch mehr. Unsere Investoren werden hübsche Profite machen. Wir müssen nur lange genug warten.«
»Das ist es ja!«, sagte Bahram. »Wie lange?«
Captain Elliott kratzte sich am Kinn. »Vielleicht zwei Jahre. Vielleicht auch drei.«
»Zwei bis drei Jahre!«
Bahram dachte an die erbosten Briefe, die sich in seinem Büro ansammelten, er überlegte, wie er die Situation seinen Investoren erklären sollte, er stellte sich die Reaktion seiner Schwäger vor, wenn sie von der Situation erfuhren, er hörte förmlich, wie sie auf ihre diskrete Art frohlockten, und konnte sich denken, was sie zu Shirinbai sagen würden: Wir haben dich gewarnt; er ist ein Spekulant, du hättest nicht zulassen dürfen, dass er dein Erbe verschleudert …
»Ihre Investoren würden doch sicher warten, Mr. Moddie, oder?«, beharrte Burnham. »Es ist schließlich nur eine Frage der Zeit.«
Zeit!
Alle sahen jetzt zu Bahram her. Sein Stolz gestattete ihm nicht, ihnen zu sagen, dass Zeit das Einzige war, was er nicht hatte, dass eine Verzögerung von zwei Jahren ihn mit Sicherheit zahlungsunfähig machen würde, dass Captain Elliotts Verrat für ihn Ruin, Bankrott und Schuldgefängnis
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