Der rauchblaue Fluss (German Edition)
spricht aber mit reinstem Kalkutta-Akzent, was er allerdings um keinen Preis zugeben will. (Apropos Kalkutta: Ich habe ihm gegenüber zufällig erwähnt, dass eine in Kalkutta geborene Miss mit Namen Paulette Lambert in der Gegend ist – und ich schwöre Dir, meine liebe Rani von Pagglipur, Dein Name war ihm nicht unbekannt. Er wurde ganz blass oder zumindest so blass, wie es bei seiner Hautfarbe möglich ist!)
Stammgäste in Mr. Moddies Küche sind auch mehrere Parsen, darunter ein höchst einnehmender junger Mann namens Dinyar Ferdunji. Als wir eines Abends überlegten, wie wir uns die Zeit vertreiben könnten, kam mir die Idee, ein Theaterstück aufzuführen, und ehe wir’s uns versahen, spielten wir schon Anarkali, die todgeweihte Bajadere von Lahore (die Lieblingsrolle meiner Mutter, wie Du weißt; ich hatte immer davon geträumt, sie einmal zu spielen).
Ich wünschte, ich könnte Dir beschreiben, ma chérie, welchen Spaß wir hatten! Ich machte mir meine Kostüme alle selbst, und der Munshi übernahm die Rolle des grausamen alten Kaisers und spielte sie hervorragend (für einen Provinz-Munshi, muss ich sagen, kennt er sich in höfischer Etikette erstaunlich gut aus). Und Dinyar gab einen prächtigen Jahangir, den perfekten Gegenpart für meine Anarkali. Er ist ein ausgezeichneter Sänger und Tänzer, und so baute ich einige neue Lieder ein, die wir sangen, während wir einander um einen Baum herum (eine Säule natürlich) haschten. Es war so herrlich, dass Dinyar meinte, er wolle eine Theatergruppe gründen, wenn er wieder in Bombay sei!
Dinyar ist ein wahrer Wirbelwind . Als einmal ein paar Engländer auf dem Maidan Cricket spielten, konnte er sie überreden, ihm das Spiel beizubringen (er habe es schon bei den Briten in Bombay gesehen, sagt er, aber Inder könnten es dort nicht lernen, weil sie keinen Zutritt zu den entsprechenden Klubs hätten). Er entwickelte ein solches Geschick darin, dass er das Spiel mehreren anderen Achhas beibrachte, und vor ein paar Wochen forderten sie den britischen Hong zu einem Match heraus. Im letzten Moment fehlte ihnen jedoch ein Mann – und Du wirst es nicht glauben, liebe Paggli-Waggli, aber niemand anders als Dein armer Robin wurde genötigt, die Lücke zu füllen!
Ich brauche Dir ja nicht zu sagen, liebe Paggli, dass ich die meisten Spiele hasse , und keines so sehr wie Cricket. Aber ich konnte es meinem Jahangir einfach nicht abschlagen, schon gar nicht, als er den Arm um mich legte und mich förmlich anflehte mitzumachen. Er werde schon aufpassen, dass ich nicht zu Schaden käme, versprach er außerdem, und das Spiel verlief auch weitestgehend friedlich. Ich weiß aber beim besten Willen nicht, wie man diesen Sport mögen kann, denn es scheint die ganze Zeit rein gar nichts zu passieren (die chinesischen Wachleute setzte das Treiben in Erstaunen, wie ich hinzufügen möchte, und einige wollten sogar wissen, ob wir dafür bezahlt würden, hinter dem Ball herzurennen; einen anderen Grund konnten sie sich nicht denken, was sehr für sie spricht, finde ich). Aber irgendwann hörte ich jemanden »Fang, Robin, fang!« rufen, und als ich hochschaute, sah ich einen hässlichen kleinen Ball auf mich zu rasen . Im ersten Moment wollte ich natürlich weglaufen, aber das ging nicht, weil hinter mir der Viehpferch war. Ich wich also nicht von der Stelle und tat, was Jacqua mich gelehrt hatte: Ich machte meinen Geist leer bis auf das Objekt meiner Begierde – und sieh da, irgendwie gelang es mir, das abscheuliche Projektil aus der Luft zu schnappen! Das schien etwas ganz Großartiges zu sein, denn der Kapitän der gegnerischen Schlagmannschaft hatte den Ball selbst geschlagen, es war also mein Verdienst, dass ich nicht nur den Ball fing, sondern auch noch sein Wicket umwarf und die Achhas damit zum Sieg führte. Dinyar war hocherfreut und schwor, er werde einen Cricketklub für Inder gründen, sobald er wieder in Bombay sei – hoffentlich tut er es auch. Kannst Du Dir vorstellen, meine liebe Paggli, wie überaus komisch es wäre, eine Bande Achhas in der Gluthitze hinter Bällen her- und auf Wickets zustürmen zu sehen?
Denk jetzt aber nicht, liebe Paggli, ich verbrächte meine ganze Zeit mit solchen Banalitäten – wie wäre das auch möglich, wenn man mit einem so hochgesinnten Menschen wie Charlie King unter einem Dach lebt! Es wäre ihm schrecklich peinlich, wenn ich es aussprechen würde (denn er ist so außerordentlich bescheiden), aber meiner Meinung nach ist er ein
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