Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Verwirklichung einiger der wichtigsten Ziele der Vorsehung beitragen. Dass der Genuss von Tee England und China seit Langem verbindet, ist dafür ein gutes Beispiel. Es sei jedoch daran erinnert, dass eben diese Vorsehung, die derlei besondere Neigungen in den Dienst der Völkerfreundschaft stellt, sie auch zum Mittel gesellschaftlicher Ächtung machen kann. Möge es nicht so weit kommen, dass solche Strafen – die Quittung für eine lasterhafte Neigung, die Rache der Versuchung am Versucher – die Staaten des Westens im Handel mit China erwarten.
Die Kraft und die Wahrheit Gottes sind mit uns, wann immer wir bestrebt sind, die Herrschaft universeller Freundschaft und Freiheit zu befördern. Zugleich aber muss das Motto dieser Epoche sein: »Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden hinfort nicht mehr kriegen lernen.«
Hochachtungsvoll
Ihr sehr ergebener
C. W. King
Eines Tages war es plötzlich vorbei. Die Barrikaden wurden abgebaut, die Läden in der New und der Old China Street öffneten nach und nach wieder ihre Türen und Fensterläden.
Fanqui-Town aber war inzwischen wie ausgestorben. Nur die sechzehn Kaufleute, denen die Abreise verweigert worden war, hielten sich mit ihren Angestellten noch dort auf.
Die Internierung inmitten der verlassenen Faktoreien hatte den Zurückgebliebenen gegen Ende zu schwer zu schaffen gemacht, und so herrschte große Erleichterung im Achha Hong, als bekannt wurde, dass die Übergabe des Opiums endlich abgeschlossen war und man Fanqui-Town bald würde verlassen dürfen.
Am Tag vor der Abreise machte Nil eine letzte, einsame Runde durch die Enklave. Er verabschiedete sich von Asha-didi und tauschte chin-chins mit den Dolmetschern, von denen einige gute Freunde geworden waren. Zum Schluss ging er noch in die Druckerei. Compton führte ihn in den inneren Hof und ließ Tee und Erfrischungen bringen. Sie sprachen eine Weile über die noch unvollendete Chrestomathie , dann gab Compton ihm einen Umschlag. »Habe noch letzte Korrekturfahne für Sie, Nil. Ist Geschenk.«
»Was ist es denn?«
»Brief.«
»Und von wem? Wer hat ihn geschrieben?«
»Brief ist von Lin Zexu an Königin von England.«
Nil sah überrascht auf. »Kommissar Lin hat einen Brief an Königin Victoria geschrieben?«
»Ja! Übersetzung auch ist gemacht und gedruckt. Ho-yih später können lesen.«
»Gut.« Nil erhob sich. »Danke, Compton. Do-jeh!«
»Mh-sai!«
Im Hinausgehen hielt Nil noch einmal inne. »Ach, Compton, ich wollte Sie die ganze Zeit noch etwas fragen.«
»Ja, Ah Nil?«
»Als Sie mir damals Ihren Lehrer Chang Lou-si vorgestellt haben, da haben Sie etwas gesagt, was mich stutzig gemacht hat.«
»Ja?«
»Sie haben gesagt, Sie hätten etwas über Seth Bahramji herausgefunden – über die schlimmen Dinge, für die er verantwortlich ist.«
Compton nickte. »Ja. Wegen Ho Lao-kin wir haben herausgefunden. Sie erinnern? Der Mann, der hingerichtet?«
»Ja.«
»Vorher er hat viel Angst, Gesicht-bleich-Lippen-weiß, als wenn gwai ist hinter ihm. Er redet viel, lo-lo-so-so. Sagt so viel. Sagt, Mister Moddie gibt ihm Opium zuerst – so er anfängt in Geschäft. Damals Mister Moddie hat Frau in Kanton, Tante von Ho Lao-kin. Später er hat Sohn mit ihr, ne? Sie savvy nix-savvy das alles, Ah Nil?«
»Ich habe davon gehört. Erzählen Sie weiter.«
»Junge wird groß, braucht Arbeit. Ho Lao-kin bringt nach Macao, führt ein in Schmugglerbande. Paar Jahre Junge arbeitet da, dann hat Probleme und will weg. Bittet Vater, ihn mitnehmen in sein Land, aber Vater sagt Nein, muss bleiben. Dann alles wird sehr schlimm für ihn. Bandenchef will ihn töten, so er flieht, kommt nach Guangzhou, versteckt bei Mutter. Bande fängt Ho Lao-kin, er sagt, Junge ist bei Mutter, auf Boot. Bande geht auf Boot, aber Junge ist weg, ne? Nur Mutter ist da.«
»Und dann?«
»Dann sie töten Mutter und lassen liegen auf Boot.«
Compton verzog missbilligend den Mund und schüttelte den Kopf. »Mr. Moddie nicht gut, macht zu viel schlimm. Low-low sek-sek, Sie besser nicht arbeiten für ihn, Ah-Nil. Yauh-jyuh – Sie geben acht, alle um ihn, Sie werden leiden für was er hat getan.«
Nil schwieg einen Moment nachdenklich. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er dann. »Aber wissen Sie, Compton, andererseits gibt es unter den Menschen um Seth Bahramji nur ganz wenige, die ihn nicht lieben. Und ich gehöre nicht zu ihnen, denn eins weiß ich bestimmt: Der Seth hat ein großes, edles Herz. Das
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