Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Zusammenhang gebracht, in seinem Strafgesetzbuch mit Beil und Kerker und im Herzen der Menschen mit der Zerstörung von Besitz, Tugend, Ehre und Zufriedenheit. Alle, vom Kaiser auf seinem Thron bis hinab zu den Bewohnern noch des ärmsten Weilers, spüren seinen Stachel. Dass er bis in die untersten Schichten der Gesellschaft reicht, sehen wir häufig mit eigenen Augen, und die Hofgazetten beweisen, dass er auch in der kaiserlichen Familie Opfer findet, die durch ihn Schmach und Ruin zu gewärtigen haben.
Die Gerechtigkeit verbietet es, dass die von den Chinesen unternommenen Schritte zur Abschaffung eines Unrechtssystems, das sie unter dem Deckmantel der Freundschaft ausnutzt, zum Vorwand für noch tiefere Verletzungen werden. Es ist zu verurteilen, dass der rechtmäßige und sinnvolle Handel mit China auf dem Altar illegalen Handelsverkehrs geopfert wird. Noch eindringlicher ist davor zu warnen, dass in einem ungerechten Kampf nicht nur gegen den chinesischen Staat, sondern auch gegen das chinesische Volk zu den Waffen gegriffen wird. So stark Großbritannien auch sein mag: Gegen das moralische Empfinden dieser drei- bis vierhundert Millionen Menschen kann und darf es nicht Krieg führen.
Der Opiumhandel hat den Namen Gottes unter den Heiden umfassender entehrt als jeglicher andere Handelsverkehr in Antike und Neuzeit. »Fließendes Gift«, »fremder Dreck«, »furchtbares Unheil, von den Fremden über uns gebracht« – mit diesen und hundert ähnlichen Bezeichnungen wird das Rauschgift in diesem Reich belegt. Seine ausländische Herkunft hat sich allenthalben herumgesprochen, und jene, die es einführen, werden in jeder Stadt, in jedem Dorf Chinas ob ihrer Unmoral angeprangert.
Was hat die Provinzen Malwa, Bihar und Benares zu Zentren des Opiumanbaus gemacht? Weshalb sind weite, früher anderweitig genutzte Landstriche in diesen Distrikten heute von Mohnfeldern bedeckt? Warum dehnen sich diese Kulturen, obgleich bereits so verbreitet, noch immer rasant weiter aus?
Der Opiumhandel ist die Schöpfung der Ostindien-Kompanie, ihrerseits ein Organ der britischen Regierung. Die Einkünfte aus Indien, den Opiumsektor eingeschlossen, sind vom Parlament wiederholt sanktioniert worden. Der Opiumerzeugung und dem von ihr nicht zu trennenden Handel wurde die höchste Sanktion zuteil, die ein Land einer in einem anderen Land verbotenen Ware gewähren kann. Der britische Kaufmann hat sich von der Höhe des Rechts in die Niederungen der Interessen der Ostindien-Kompanie begeben. Autorität, Vorbild und Sympathie waren auf seiner Seite – was kümmerten ihn da die Verbote der fremden, despotischen, abstoßenden Regierung Chinas? Fehlgeleitet vom Parlament, bestätigten ihn die Entscheidungen der Gesellschaft in seinem Irrtum. Kein Bereich der Gesellschaft war gegen diese Illusion gefeit. Werden die Stanhopes, die Noels und die Harris’ nicht dieses Argument aufgreifen und den Menschen in England sagen, dass sie den Chinesen unterlegen sind, wenn es darum geht, das Prinzip der Nächstenliebe anzuwenden? Sollte das Aufbegehren eines heidnischen Reichs gegen den Dämon der Verführung nicht eine mächtige Wirkung auf die Christen im Westen ausüben? Mein ältester Freund in China, ein Mann, der des Chinesischen mächtig ist, sagt: »Ich habe mit Hunderten von Menschen über den Gebrauch der Droge gesprochen und nicht einen gefunden, der ihn verteidigt oder auch nur beschönigt hätte.« Unter all ihren Opfern finden sich keine Befürworter. In England wirbt die amtlich zugelassene, prächtig geschmückte Schenke um jeden Passanten, in China schleicht sich der Raucher schuldbewusst und voller Scham in seine Opiumhöhle.
Schätzungen zufolge existieren achtzigtausend Kisten des Rauschgifts. Angesichts dieser ungeheuren Menge liegt es auf der Hand, dass der Mohnanbau in ganz Indien umgehend eingestellt werden sollte. Das dafür vereinnahmte Land sollte wieder einer Nutzung zugeführt werden, die mit dem menschlichen Leben, mit Tugend und Glück vereinbar ist.
Der Gebrauch des Rauschgifts, so hören wir, dringt nach und nach bereits in die Gewohnheiten eines morbiden Teils der westlichen Gesellschaft vor. (In Großbritannien lag der Opiumkonsum für 1831–32 bei über achtundzwanzigtausend Pfund pro Jahr.) Wie soll eine solche Neigung, hat sie sich erst über einige Generationen hinweg verbreitet und festgesetzt, wieder ausgerottet werden?
Es lässt sich nicht leugnen, dass in unseren Tagen nationale Vorlieben zur
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