Der rauchblaue Fluss (German Edition)
unterscheidet ihn von den Burnhams, Dents, Ferdunjis und all den anderen. Die werden am Ende nichts verlieren, das können Sie mir glauben. Der große Verlierer wird Seth Bahramji sein, und genau deswegen: weil er ein Herz hat.«
Compton lächelte. »Sie sind loyal, Nil. Sih-sih.«
»Wir Achhas sind loyale Leute – das ist vielleicht unsere größte Schwäche. Bei uns ist es eine Sünde, jemandem die Treue zu brechen, dessen Salz wir gegessen haben.«
»Haih-bo?« Compton lachte. »Ich Ihnen gebe Salz, wenn wir sehen nächstes Mal, Nil.«
»Nicht nötig«, sagte Nil lächelnd. »Ich habe Ihr Salz schon gegessen.«
Compton lächelte und verneigte sich. »Joi-gin, Ah Nil.«
»Joi-gin, Compton. Joi-gin.«
Erst später am Abend, nachdem er seine Sachen gepackt hatte, öffnete Nil den Umschlag, den Compton ihm gegeben hatte. Er las den Brief des Kommissars an Königin Victoria mehrmals, dann nahm er eine Seite seiner unvollendeten Chrestomathie . Er drehte sie um und übersetzte spontan einige Passagen ins Bengali.
»Der Wille des Himmels ist Gerechtigkeit für alle, er duldet es nicht, dass wir um unseres eigenen Vorteils willen anderen schaden. In einem sind sich die Menschen auf der ganzen Welt gleich: Sie lieben das Leben und hassen, was das Leben gefährdet. Ihr Land liegt zwanzigtausend Meilen von unserem entfernt, aber der Himmel hält für Sie wie für uns Gutes bereit, und Ihre Instinkte sind keine anderen als unsere; denn nirgends sind die Menschen so blind, dass sie nicht unterscheiden könnten zwischen dem, was Leben bringt, und dem, was Tod bringt, zwischen dem, was nützt, und dem, was schadet.
Unser himmlischer Hof behandelt alle Menschen zwischen den vier Meeren wie eine große Familie; die Güte unseres großen Kaisers ist wie der alles überwölbende Himmel. Kein Landstrich ist so wild oder so fern, dass er ihn nicht hegte und pflegte. Seit Kantons Hafen eröffnet wurde, blüht der Handel. Fast hundertzwanzig Jahre lang haben sich die Bewohner Kantons friedlicher und gewinnbringender Beziehungen zu den Schiffen aus der Fremde erfreut.
Es gibt indessen auch den bösen Fremden, der Opium herstellt und zum Verkauf bringt und damit, nur um Gewinne einzustreichen, törichte Menschen dazu verleitet, sich zugrunde zu richten. Früher war die Zahl der Opiumraucher gering, heute aber breitet sich dieses Laster immer weiter aus, und das Gift dringt tiefer und tiefer ein. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, strengste Strafen über Opiumhändler und Opiumraucher zu verhängen, um der weiteren Verbreitung des Übels ein für allemal Einhalt zu gebieten.
Nun wird der giftige Stoff aber von gewissen teuflischen Menschen an Orten hergestellt, die Ihrer Herrschaft unterstehen. Selbstverständlich wird er weder auf Ihr Geheiß produziert oder verkauft, noch wird er in allen Ländern, die Sie regieren, produziert, nur in einigen. Wie wir erfahren, geht England in seinem Hoheitsgebiet mit äußerster Härte gegen das Rauchen von Opium vor. Demnach ist Ihnen sehr wohl bewusst, wie schädlich der Stoff ist. Von England wird das Unheil abgewendet, das er anrichtet – ist es dann nicht unrecht, es einer anderen Nation zu senden? Wie können es die Opiumhändler auf sich nehmen, unserem Volk aus schierer Profitgier eine Ware zu bringen, die ihm so großen Schaden zufügt? Kämen Menschen aus einem anderen Land nach England und verleiteten das Volk zum Kauf und Genuss des Rauschgifts, so wäre es nur recht und billig, dass Sie, Majestät, diese Menschen aufs Tiefste verabscheuen. Wie uns bislang bekannt, würden Sie, Majestät, deren Herz von Güte erfüllt ist, anderen nicht antun, was Sie nicht wollen, dass man Ihnen antut. Besser als das Rauchen von Opium zu verbieten wäre es daher, seinen Verkauf zu verbieten, und noch besser, seine Herstellung zu unterbinden, denn dies ist die einzige Möglichkeit, das Übel an der Wurzel zu packen. Solange Sie sich nicht anheischig machen, das Opium zu verbieten, sondern es weiterhin herstellen und die Menschen in China zu seinem Kauf verleiten, erweisen Sie sich zwar als besorgt um das Leben Ihrer eigenen Untertanen, jedoch als unbesorgt um das Leben anderer Menschen und in Ihrem Gewinnstreben gleichgültig gegenüber dem Schaden, den Sie anderen zufügen. Solches Verhalten ist menschlichem Fühlenwiderwärtig und unvereinbar mit dem Willen des Himmels.«
Ob Zufall oder Absicht – die Route der Leichterfahrzeuge, mit denen die letzten Ausländer zur Bogue gebracht
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