Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Klebrige, die Ausrutscher und Fehlgriffe und den Furz, der ihr plötzlich entfuhr.
Hinterher, als sie einander in den Armen lagen, hörten sie den Lärm eines Feuerwerks und steckten die Köpfe aus der Kajüte. In einem Dorf am See wurde irgendetwas gefeiert, und Raketen zogen am Himmel ihre Bahnen. Die farbenprächtigen Eruptionen über ihnen spiegelten sich so vollkommen in der dunklen Wasserfläche, dass der Sampan in einer Kugel aus Licht zu schweben schien.
Das Boot setzte sich uferwärts in Bewegung, und Bahram war kein bisschen überrascht, als Chi-mei sagte: »Jetzt Mister Barry geb cumshaw. Lob-pidgin hab mach. Ess Huhn muss zahl. Mister Barry muss geb groß cumshaw.«
Eine halbe Stunde lang stritten sie darüber, wie viel er ihr schuldig war – und das Feilschen war herzerwärmender, als es jedes Liebesgeflüster hätte sein können. Es war die Sprache, die er am besten konnte, die Sprache, die er tagtäglich benutzte, durch sie konnte er viel mehr ausdrücken, als er es mit Koseworten vermocht hätte. Am Ende gab er ihr mit Freuden alles, was er bei sich hatte.
Als er gerade an Land gehen wollte, sagte sie: »Mister Barry muss auch geb cumshaw Allow.«
Bahrams Taschen waren leer, und er lachte. »Nix Geld hab mehr. Später kann geb Allow cumshaw.«
Der Junge begleitete ihn zu seinem Quartier, und in einem Anfall von Großzügigkeit entlohnte ihn Bahram so reichlich, dass er übers ganze Gesicht strahlte: Er hatte ihm einen halben Kuchen Malwa-Opium geschenkt und gesagt, er solle ihn sofort verkaufen. »Kauf Schuh, kauf Kleid, ess Reis. Dak-mh-dak-aa?«
»Dak! mh-goi-saai!« Erfreut grinsend lief der Junge davon.
Danach trafen Bahram und Chi-mei sich regelmäßig ein- bis zweimal die Woche. Diese »lob-pidgin«-Stunden wurden stets von Allow arrangiert. Bahram sah ihn mit den anderen Jungen in der Enklave herumlaufen und brauchte ihm nur einen Blick zuzuwerfen oder die Brauen hochzuziehen. Er ging dann am Abend ans Wasser, und dort fand er sie vor, in dem Sampan.
Von Anfang an zeigte sich Bahram ihr gegenüber sehr großzügig. Bevor er am Ende jenes Sommers wieder nach Bombay aufbrach, fragte er sie, ob sie sich etwas wünsche, und als sie erwiderte, sie brauche ein größeres Boot, erklärte er sich sofort bereit, ihr eines zu kaufen. Im folgenden Jahr kam er mit Geschenken beladen zurück. Am Ende jedes Aufenthalts sorgte er dafür, dass es ihr und ihrer Familie bis zu seinem nächsten Besuch an nichts fehlen würde. Nie fragte er sich auch nur einen Moment lang, ob sie sich andere Liebhaber nahm, solange er fort war: Sein Vertrauen war grenzenlos, und sie gab ihm nie den geringsten Anlass, an ihrer Treue zu zweifeln.
Im März 1815, einige Tage vor Bahrams Abreise nach Bombay, nahm Chi-mei seine Hand und legte sie auf ihren Bauch: »Schau-seh hier, Mister Barry.«
»Chilo?«
»Chilo.«
Er freute sich über diese Nachricht genauso wie die beiden Male, als er von Shirinbais Schwangerschaft erfahren hatte. Seine einzige Sorge war, dass Chi-mei das Kind womöglich würde abtreiben wollen. Um es ihr leichter zu machen, gab er ihr Geld, damit sie Kanton verlassen und an einen Ort weiter flussabwärts ziehen konnte; so konnte sie später behaupten, man habe ihr das Kind zur Adoption anvertraut.
So begeistert war er von Chi-meis Schwangerschaft, dass er in dem Jahr nur vier Monate in Bombay verbrachte und am Ende der Monsunzeit nach China zurückkehrte. Als er in Macao eintraf, wartete er für die Fahrt flussaufwärts nicht das reguläre Boot ab, sondern ließ sich in einem Schnellruderer durch die Seitenarme des Perlflussdeltas nach Kanton bringen.
Und da war nun das Baby, so gewickelt, dass die Genitalien stolz zur Schau gestellt wurden: Als Chi-mei ihm das Kind in die Arme legte, umarmte er es so fest, dass ihm ein warmer Urinstrahl ins Gesicht spritzte und vom Bart tropfte.
Er lachte. »Er Name was-Ding?«
»Leong Fatt.«
»Nein.« Bahram schüttelte den Kopf. »Er Name Framji.« Sie debattierten eine Zeit lang freundlich miteinander, ohne zu einer Einigung zu kommen.
Knapp drei Monate danach lernte Bahram Zadig kennen. Seine Erinnerung an die Szene war noch frisch, als er sie jetzt seinem neuen Freund erzählte. Am Schluss fing er an zu lachen, und auch Zadig gluckste: »Und, wie heißt er denn jetzt?«
»Sie nennt ihn Ah Fatt. Ich nenne ihn Freddy.«
»Ist er Ihr einziger Sohn?«
»Ja.«
Zadig tätschelte ihm anerkennend die Schulter. »Mabruk!«
»Danke. Und wie viele Kinder haben
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