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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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einen Blick zurück und sah, dass sie ihm nachschaute.
    In seinem Zimmer sah er sie dann immer wieder vor sich. Es war nicht das erste Mal, dass Bahram von Fantasien über die Mädchen geplagt wurde, die am Wasser arbeiteten – doch diesmal hatte seine Sehnsucht ein klares Ziel. Etwas an der Art, wie sie ihn angesehen hatte, ließ ihn nicht mehr los und zog ihn immer wieder zu ihrem Sampan zurück. Er fing an, unter irgendwelchen Vorwänden die Wäschereiboote aufzusuchen, und ein paarmal sah er, dass sie errötete und wegschaute, wenn sie seiner ansichtig wurde: ein Zeichen, dass sie ihn wiedererkannte.
    Anscheinend hatte ihr Sampan nur noch zwei weitere Bewohner, eine alte Frau und ein kleines Mädchen; einen Mann sah er dort nie. Das stimmte ihn hoffnungsvoll, und als er sie eines Tages allein antraf, ergriff er die Gelegenheit beim Schopf: »Du Name was-Ding?«
    Sie errötete. »Li Shiu-je. Mistoh Name was-Ding ah?«
    Erst später wurde ihm klar, dass sie ihm gesagt hatte, er solle sie »Miss Li« nennen. In dem Augenblick genügte es zu wissen, dass sie die Sprache von Fanqui-Town fließend beherrschte.
    »Ich Barry. Barry Moddie.«
    Sie ließ das über ihre Zunge rollen. »Mister Barry?«
    »Ja.«
    »Mister Barry Pak-taw-gwai?«
    Bahram kannte die Redewendung, sie bedeutete »Weißer-Hut-Geist« und bezog sich auf die Parsen, von denen viele weiße Turbane trugen. Er lächelte: »Ja.«
    Sie nickte ihm schüchtern zu und verschwand in der Kajüte.
    Schon damals wusste er, dass sie etwas Besonderes an sich hatte. Die Bootsfrauen von Kanton waren ganz anders als ihre an Land lebenden Schwestern. Ihre Füße waren nicht abgebunden und oft nackt, ihr Verhalten alles andere als damenhaft: Sie ruderten Boote, verhökerten Waren und packten bei der Arbeit genauso kräftig zu wie ihre Männer – oder noch kräftiger. In Geldangelegenheiten waren sie oft schamlos auf ihren Vorteil bedacht, und Neulingen wie Bahram wurde stets eingeschärft, im geschäftlichen Umgang mit ihnen auf der Hut zu sein.
    Im Gegensatz zu manchen anderen Waschfrauen bat Chi-mei nie um cumshaw. Sie verhandelte hart um das, was ihr zustand, ließ es aber dabei bewenden. Bahram wollte ihr einmal mehr geben als vereinbart und drückte ihr ein paar Kupfermünzen extra in die Hand. Sie zählte sorgfältig und lief ihm dann nach. »Mister Barry! Gib zu viel Geld. Da nehm wieder!«
    Er wollte ihr die Münzen zurückgeben, aber das machte sie nur wütend. Sie zeigte auf die bunten Blumenboote, die in der Nähe vertäut waren. »Das-Stück Boot Sing-song-girlies hab. Mister Barry kann nehm.«
    »Mister Barry nix woll Sing-song-girlie.«
    Sie zuckte die Achseln, ließ die Münzen in seine Hand fallen und ging weg.
    Er war ein wenig beschämt, als er sie tags darauf wiedersah, und das schien sie zu belustigen. Sie übergab ihm die Wäsche und fragte leise: »Mister Barry? Nehm oder nix nehm Sing-song-girlie?«
    »Nix nehm«, sagte er. Und dann nahm er all seinen Mut zusammen und sagte: »Mister Barry nix woll Sing-song-girlie. Will Li Shiu-je.«
    »Wai-ah!«, lachte sie. »Mister Barry sag bös Ding la! Li Shiu-je nix Sing-song-girlie ah.«
    Das Pidgin war für Bahram immer noch neu, und die seltsame Sprache verlieh diesen Wortwechseln eine besondere erotische Spannung. Immer wieder einmal wachte er auf und ertappte sich dabei, dass er mit Chi-mei sprach, ihr sein Leben erklären wollte: »Mister Barry ein-Stück Frau hab; zwei-Stück Mädchen-chilo auch hab … «
    Als er das nächste Mal fertige Wäsche bei ihr abholte, fand er eine Möglichkeit, sich nach ihrem Familienstand zu erkundigen. Er tat so, als sei der Wäschepacken zu schwer für ihn, und sagte: »Li Shiu-ja hab Mann? Wenn hab, kann trag vielleicht.«
    Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Nix hab. Mann hab mach sterb. In Meer. Ein Jahr vor.«
    »Oh? Mister Barry so viel traurig innen.«
    Bald danach erlitt auch Bahram einen schmerzlichen Verlust. Durch einen Brief seiner Mutter erfuhr er, dass seine jüngste Schwester in Gujarat gestorben war. Sie sei seit Monaten krank gewesen, aber sie hätten es für besser gehalten, ihn nicht zu informieren, da er so weit weg sei und sich nur Sorgen gemacht hätte. Da aber nun das Unvorstellbare geschehen sei, müsse er es natürlich erfahren.
    Bahram hatte seine Schwester abgöttisch geliebt und war so verzweifelt, dass er es nicht über sich brachte, irgendeinem der anderen Parsen in Kanton von dem Unglück zu erzählen. Er zog sich in seine Kammer zurück

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