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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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anheuerte. Er entwickelte schnell einiges Geschick im Umgang mit den leicht verderblichen mediterranen Früchten – Apfelsinen, Pflaumen, Datteln, Aprikosen, Zitronen und Feigen. Wie auf den meisten Handelsschiffen war es jedem Besatzungsmitglied erlaubt, eine gewisse Menge Fracht als persönlichen Besitz mitzuführen und auf eigene Rechnung zu verkaufen. Bei geeigneten Witterungsverhältnissen nutzte Fitcher seine Quote, um Setzlinge von Obstbäumen und Gartenpflanzen zu transportieren, von denen sich manche gut verkaufen ließen, wenn der Schoner zwischendurch in London anlegte.
    Fitcher hatte seine Gewohnheiten aus jener Zeit beibehalten, und sie waren zur Grundlage seines Wohlstands geworden. Es hatte jahrelanger geduldiger Arbeit bedurft, um die Firma Penrose zu einem der führenden Baumschul- und Gartenbaubetriebe Großbritanniens auszubauen; das Ruder immer wieder zeitweise aus der Hand zu geben, war für Fitcher nicht einfach gewesen. Doch als Lieferant exotischer Flora wusste er nur allzu gut, dass das Gartenbaugeschäft ständig nach Neuerungen verlangte, zum einen deshalb, weil die Zeitspanne, binnen deren eine neue Blume von einer seltenen Rarität zu einem ganz gewöhnlichen Unkraut verkam, immer kürzer wurde, und zum anderen deshalb, weil zunehmend aggressive Konkurrenten auf den Plan traten. Der vielleicht gefährlichste unter den vielen Rivalen von Penrose & Sons war die Baumschule Veitch im nahen Devon: Auf der unermüdlichen Suche nach neuen Produkten beteiligten sich die Veitches oft an der Finanzierung von Forschungsreisen und Expeditionen. Auch Fitcher hatte die Reisen mehrerer Möchtegern-Sammler mitfinanziert, jedoch nie mit zufriedenstellendem Ergebnis. Manche dieser Herumtreiber waren mit seinem Geld verschwunden, andere hatten den Verstand verloren oder waren eines furchtbaren Todes gestorben, und von denen, die zurückgekommen waren, hatten nur wenige irgendetwas Brauchbares mitgebracht. Einer von ihnen, ein vielversprechender junger Mann aus Cornwall, hatte seine besten Funde selbst behalten, um sie später an die Veitches zu verkaufen – ein Verrat, der für Fitcher umso schmerzlicher war, als seine Rivalen aus Devonshire nicht einmal Einheimische waren, sondern Zugereiste aus Schottland.
    Diese schlechten Erfahrungen hatten Fitcher überzeugt, dass er es selbst besser machen würde und wahrscheinlich auch mit geringerem Kostenaufwand. Schließlich hatte er viele der erfolgreichsten Angebote seiner Firma im südlichen China eigenhändig gesammelt, zu einer Zeit, als er noch unerfahren war und nur über geringe Mittel verfügte. Er wusste, dass er viel mehr würde erreichen können, wenn er mit einem eigenen Schiff nach China zurückkehrte, doch eine solche Reise würde mindestens zwei bis drei Jahre dauern und war unmöglich, solange er sich nicht in angemessener Weise seiner familiären Verpflichtungen entledigt hätte. Er hatte spät geheiratet, und seine Frau war früh verstorben und hatte ihn mit drei Kindern allein zurückgelassen – Zwillingsjungen und einem Mädchen, das wesentlich jünger war als ihre Brüder. Die Kinder an Verwandte abzuschieben kam für Fitcher nicht infrage, und noch unvorstellbarer war es ihm, nur um der Kinder willen eine Vernunftehe einzugehen. Also hatte er sich wohl oder übel damit abgefunden, dass er seine Pläne zurückstellen musste, bis seine Söhne volljährig waren und die Leitung der Firma übernehmen konnten. In der Zwischenzeit hatte er sorgfältige Vorbereitungen für die Reise getroffen, einschließlich der Konstruktion und des Baus der Redruth , die nach dem Geburtsort seiner Frau getauft wurde.
    Die Penrose-Brüder waren tüchtige junge Männer mit viel Geschäftssinn und gesundem Menschenverstand. Während Paulette Fitchers Erzählungen lauschte, kam sie zu dem Schluss, dass seine Söhne ihn nur in einem Punkt enttäuscht hatten: Keiner von beiden hatte je das geringste Interesse an Botanik oder Naturkunde gezeigt. Für sie waren Pflanzen auch nichts anderes als Türknäufe oder Würste oder sonst irgendwelche Artikel, aus denen man Profit schlagen konnte.
    Ellen hatte als einziges der drei Penrose-Kinder Fitchers Interesse an der Natur geerbt. Das war einer der Gründe, warum ihr Vater sie besonders ins Herz geschlossen hatte. (Außerdem, so gestand Fitcher Paulette, habe sie ihrer Mutter Catherine sehr ähnlich gesehen, die für ihre außergewöhnliche Schönheit bekannt gewesen sei.) Obwohl von nicht allzu robuster Konstitution,

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