Der Rauchsalon
das meinen, aber es war damals schon seit vielen
Jahren das Haus meiner Schwiegermutter. Da sie sowohl taub als auch blind war,
mußten wir alles haargenau so lassen, wie sie es selbst arrangiert hatte, so
daß sie sich auch zurechtfinden konnte. Es ist ziemlich schwer, sich in einem
Haus heimisch zu fühlen, wenn man nicht einmal die Freiheit hat, auch nur einen
Stuhl zu verrücken. Entschuldigen Sie bitte, daß ich schon wieder über Stühle
rede.«
Sie lachten beide ein bißchen, aber
dann hatte Sarah eine hervorragende Idee. »Würden Sie mich bitte einen Moment
entschuldigen? Ich laufe nur eben in mein Arbeitszimmer. Es war früher das
Boudoir von Tante Caroline — das heißt von meiner Schwiegermutter.«
Sie kam beladen mit Spitzen, Georgette
und Crêpe de Chine zurück. »Würde ich Sie sehr beleidigen, wenn ich Ihnen ein
paar Sachen von ihr anböte? Sie waren so reizend zu mir, und ich — ich würde
mich wirklich sehr freuen, wenn Sie etwas hätten, was zum Haus gehört. Sie war
damals eine berühmte Schönheit, müssen Sie wissen, und als ihr Ehemann noch
lebte, hat sie nur die feinsten Kleider getragen. Sie würden nicht glauben, was
ich alles gefunden habe, als ich ihre Schränke ausgeräumt habe. Mir war
natürlich alles viel zu groß, also habe ich es an Verwandte und Freunde
weitergegeben.«
Wie immer war es Cousine Mabel gewesen,
die mit dem Löwenanteil abgezogen war. Was sie allerdings mit den Unmengen an
perlenverzierten Abendroben anfangen wollte, wußte wohl nur Gott in seiner
unerschöpflichen Weisheit.
»Aber es sind immer noch ein paar Negligés
und Morgenröcke, auch Dessous, French Knickers und vieles mehr da, und alles
sehr hübsche Sachen. Sie haben eine so charmante und phantasievolle Art, sich
zu kleiden, daß ich mir gedacht habe, daß es Ihnen bestimmt Spaß machen würde,
ein wenig damit herumzuspielen.«
In Wirklichkeit hatte Sarah natürlich
bis vor einem Moment nichts dergleichen gedacht. Sie hatte lediglich die
Kleidungsstücke im Keller gefunden, wo sie vergessen friedlich geruht hatten,
seit Tante Caroline tot war. In ihrer Eile, das Zimmer für Mr. Bittersohn
gemütlich zu machen, hatte sie alles wieder nach oben in das frühere Boudoir
getragen, weil ihr gerade nichts Besseres eingefallen war. Als sie jetzt Mrs.
Sorpendes Gesicht vor Freude über die dezenten Farben und die kostbaren Stoffe
aufleuchten sah, freute es sie, sich erst jetzt wieder an sie erinnert zu
haben.
»Oh, Mrs. Kelling! Ich bin einfach
überwältigt. Sind Sie auch sicher, daß Sie sich von diesen wundervollen Sachen
trennen wollen?«
»Ganz sicher. Ich kann sie sowieso
nicht anziehen, und es sind keine Sachen, die man einfach an Fremde weggeben
möchte. Ich hoffe nur, daß Ihnen davon etwas paßt.«
»Ganz bestimmt, das bekomme ich schon
irgendwie hin. Ich bin ganz gut im Nähen. Was für herrliches Material, wie
schön! Beim bloßen Anfassen fühle ich mich schon wie die Königin von Saba. Oder
sollte ich sagen wie Königin Liliuokalani?«
»Bitte nicht. Früher habe ich den Namen
immer wunderhübsch gefunden, aber wenn Mr. Hartler ihn auch nur noch ein
einziges Mal erwähnt, werde ich einen hysterischen Anfall bekommen, der
seinesgleichen sucht.«
Sie kicherten wieder wie zwei
guterzogene kleine Mädchen, die sehr genau wußten, daß es ungezogen war, sich
über den netten alten kauzigen Mr. Hartler lustig zu machen. Dann sagte Mrs.
Sorpende, sie müsse jetzt aber nach oben gehen und Mrs. Kelling ein wenig Ruhe
gönnen. Sarah ließ sie gehen, denn sie wußte genau, was Mrs. Sorpende wirklich
meinte, nämlich, daß sie es kaum abwarten konnte, ihre neue, undurchlöcherte
Unterwäsche anzuprobieren.
Erstaunlicherweise waren auch die
Kopfschmerzen beinahe völlig abgeklungen. Sarah erledigte schnell noch die
restlichen Vorbereitungen für die Nacht, legte sich ins Bett, knipste das Licht
schon nach weniger als einem Abschnitt ihrer Schopenhauerlektüre aus und
schlief sofort ein.
Kapitel 14
S arah hatte einen äußerst angenehmen
Traum, in dem sie sich zusammen mit Königin Elizabeth und Prinz Philip in einem
Restaurant aufhielt. Ein Orchester spielte, und der Prinz sang dazu eine
improvisierte Serenade für die Queen, die ein wunderschönes Kleid in Moosgrün
und einen dazu passenden Hut trug und sehr hübsch, fürchterlich verlegen und
ungeheuer erfreut aussah, wie wohl jeder an ihrer Stelle. Dann bemerkte Sarah,
daß der Trommelwirbel, den sie hörte, nicht aus
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