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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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dem Orchester kam, das seine königliche
Hoheit begleitete, sondern daß jemand laut gegen ihre Schlafzimmertür hämmerte.
    Sie setzte sich auf, schaltete die
Nachttischlampe an und griff nach dem Morgenmantel. Wenn ihr Wecker richtig
ging, war es genau 27 Minuten nach eins.
    »Wer ist da? Was ist los?«
    »Ich bin’s.« Charles war offenbar sehr
verstört. »Am besten, Sie kommen sofort nach unten. Die Bullen sind da.«
    »Wer ist da? Oh mein Gott!«
    Sarah konnte die Ärmel in ihrem
Morgenmantel nicht finden, schlüpfte mit dem linken Fuß in den rechten Pantoffel
und umgekehrt, so daß sie sie wieder ausziehen mußte, strich sich ohne viel
Erfolg mit der Bürste durchs Haar und eilte nach unten. Um diese Zeit
verkauften Polizisten wohl kaum noch Karten für den Polizeiball. War Onkel Jem
etwas passiert? Oder einem der Pensionsgäste? War er — oder sie — im Gefängnis,
im Krankenhaus oder in der Leichenhalle?
    Inzwischen war Sarah praktisch mit
sämtlichen Gesetzesvertretern des Bezirks auf du und du. »Guten Morgen,
Sergeant McNaughton«, seufzte sie. »Was ist denn jetzt wieder passiert?«
    »Tag, Mrs. Kelling. Tschuldigung, daß
ich Sie wieder mal stören muß. Wohnt hier bei Ihnen ein älterer Herr namens — ehm
— Hartler?«
    »Ja, er wohnt hier. Was hat er denn
jetzt schon wieder angestellt?«
    »Ist er zufällig ein kleiner Mann, etwa
1 Meter 60 oder 1 Meter 65 groß? Sehr volles Haar für sein Alter? Trägt einen
etwas altmodischen Abendanzug, einen schwarzen Kaschmirmantel und schwarze
Lackschuhe mit hohen Absätzen?«
    »Deswegen sahen sie so seltsam aus! Ich
dachte immer, er hätte Hühneraugen oder Hammerzehen und müßte daher spezielle
orthopädische Schuhe tragen, die man extra anfertigen lassen muß. Ja, das ist
Mr. Hartler oder zumindest klingt es so. Ich bin ziemlich sicher, daß er sich
nach dem Abendessen nicht umgezogen hat. Er hatte es schrecklich eilig.«
    »Wohin wollte er, Mrs. Kelling?«
    »Sich ein paar Stühle ansehen, die
angeblich aus dem Iolani-Palast in Hawaii stammen. Mr. Hartler versucht seit
längerer Zeit, Möbelstücke und andere Dinge für die Restaurierung des Palastes
zu sammeln. Sergeant McNaughton, was ist denn eigentlich los? Haben Sie ihn
dabei erwischt, wie er versucht hat, gestohlene Gegenstände zu kaufen? Ist er
im Gefängnis?«
    Sie hätte eigentlich wissen müssen, daß
Sergeant McNaughton ein sehr pflichtbewußter Polizeibeamter war, der sich von
seiner eigentlichen Aufgabe nicht ablenken ließ. Er wartete höflich, bis sie
ausgeredet hatte, und fragte dann: »Wo genau sollen sich denn diese Stühle
befunden haben?«
    »Das hat er nicht gesagt. Wenigstens
nicht zu mir. Mr. Hartler und ich sind zur Zeit nicht gerade die besten
Freunde. Er hatte ganze Heerscharen von Besuchern wegen des Iolani-Palastes,
die hier ein- und ausgegangen sind und sich sehr unhöflich benommen haben.
Heute nachmittag ist mir der Kragen geplatzt, und ich habe ihm ordentlich die
Leviten gelesen. Er hat sich entschuldigt, und wir haben vorübergehend
Waffenstillstand geschlossen, aber als er anfing, sich pausenlos über diese
Stühle auszulassen, habe ich keine Lust verspürt, ihm irgendwelche passenden
Fragen zu stellen. Charles, Sie haben ihm doch ein Taxi gerufen und ihn
hineingesetzt, nicht? Können Sie sich erinnern, ob er dem Fahrer eine Adresse
genannt hat?«
    »Ganz sicher nicht in meiner Gegenwart,
Madam. Er war noch immer vollauf damit beschäftigt, sich bei mir
überschwenglich, ich würde fast sagen, übertrieben zu bedanken, als das
Fahrzeug abfuhr.«
    Sergeant McNaughton fragte erst gar
nicht, in welche Richtung. Tulip Street war, wie so viele andere Straßen auf
dem Hill, eine Einbahnstraße und eigentlich auch in der erlaubten Richtung kaum
passierbar. Das Taxi mußte schnurstracks zur Beacon Street gefahren sein, weil
dies der einzig mögliche Weg war. Mr. Hartler hätte zu diesem Zeitpunkt kaum
sein Fahrziel anzugeben brauchen, sondern erst, als sie zu einer Kreuzung
kamen.
    »Wenn sein Ziel nur wenig entfernt
gewesen wäre, wie zum Beispiel die Arlington Street, hätte er sich dann die
Mühe gemacht, ein Taxi zu bestellen?«
    »In diesem Fall vermutlich schon«,
erwiderte Sarah. »Er war völlig versessen darauf, möglichst schnell zu den
Stühlen zu kommen, und mit dem Wagen ging es immerhin schneller. Außerdem war
es dunkel und kalt draußen, und obwohl er für sein Alter sehr fit ist, hat er
doch Probleme mit dem Herzen.«
    »Hat er auch Probleme mit

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