Der Rauchsalon
fertigzuwerden, und ich bewundere Ihre Stärke. Aber Sarah,
Liebes, ich muß mich allerdings fragen, natürlich ist es nicht meine Sache,
Ihnen da hineinzureden — nun ja, aber ganz offen, Liebes, ich glaube nicht, daß
ich mir an Ihrer Stelle so schnell das Haus mit einer so merkwürdigen
Gesellschaft gefüllt hätte. Ich sage das bloß, weil ich so viel älter bin als
Sie. Wir alten Leutchen können einfach nicht anders, immer müssen wir unsere
Weisheiten vor anderen ausbreiten, auch wenn es die anderen gar nicht
interessiert. Ich persönlich wäre natürlich die letzte, die sich hier
einmischen-«
»Und es gibt auch wirklich keinerlei
Grund, warum Sie sich einmischen sollten«, unterbrach Sarah sie sehr viel
energischer, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. »Ich bekomme schon genug
Ratschläge von Cousin Dolph und meinem Onkel, der ein paar Straßen weiter lebt,
und vom Rest meiner Familie. Was meine Pensionsgäste betrifft, so ist für mich
die Hauptsache, daß sie ihre Miete pünktlich bezahlen und sich an die
Hausordnung halten, von der Sie morgen früh als erstes auch eine Kopie erhalten
werden. Bisher hat es nur eine Person hier gegeben, mit der ich ernsthafte
Probleme hatte, und das war Ihr Bruder. Wenn ich gewußt hätte, welchen
schrecklichen Ärger mir sein Iolani-Palast-Projekt machen würde, hätte ich ihn
sicher niemals hier einziehen lassen. Er war natürlich andererseits immer sehr
nett und hat sich mit den anderen Gästen gut verstanden, obwohl er uns meist
ganz schön auf Trab gehalten hat.«
»Oh Sarah«, Miss Hartler schüttelte
traurig und sanft ihr weißes Haupt. »Ich weiß, daß Wumps im Grunde ein
Schuljunge war, der immer zu Streichen aufgelegt war und manchmal ein wenig
über die Stränge schlagen konnte, aber wenigstens war er einer aus unseren
Kreisen. Aber was wissen Sie schon über die anderen hier im Haus? Die kleine
Jennifer LaValliere kommt ja wohl aus einer guten Familie. Kokett und albern,
doch ich kenne ihre Großmutter. Aber dieser Mr. Porter-Smith, wie er sich nennt-«
»Wurde mir wärmstens von meinem Cousin
Percy empfohlen.«
»Oh. Und dieser Ormsby-«
»Professor Ormsby ist ein bekannter
Mann und arbeitet am MIT.«
»Ach, diese verrückten Wissenschaftler!
Erfinden ständig diese scheußlichen Klone und Gott weiß was sonst noch. Nun ja,
ich denke, das MIT gehört heutzutage wohl zu den vornehmen Colleges. Was
allerdings diesen ziemlich gefährlich aussehenden jungen Mann betrifft, der
eine Kunstgalerie führt oder was es auch ist, Bittersohn nennt er sich-«
Miss Hartler kam noch näher heran und
dämpfte ihre Stimme zu einem schockierten Flüstern. »Vor dem Essen habe ich
versucht, mich mit ihm zu unterhalten, wie man es so macht, und da die kleine
Jennifer und ich uns vorher darüber unterhalten hatten, daß ihre Großmutter den
Altar zu schmücken pflegte, habe ich ihn zufällig gefragt, ob seine Mutter auch
in ihrer Kirche etwas Ähnliches macht. Da hat er mir eine einfach unglaubliche
Antwort gegeben. Er hat tatsächlich gesagt: ›Nein, sie darf noch nicht einmal
in der Synagoge vorn sitzen.‹ Also, Sarah, Liebes, Sie sind ja noch jung und
können es nicht wissen, aber ich befürchte allen Ernstes, daß dieser junge Mann
ein J u d e ist!«
Einen Moment lang war Sarah derart
wütend und angewidert, daß es ihr glatt die Sprache verschlug. Dann stieß sie
zwischen zusammengepreßten Lippen hervor: »Ich weiß sehr gut, daß Mr.
Bittersohn Jude ist. Seine Familie wohnt ganz in unserer Nähe in Ireson’s
Landing.«
»Um Himmels willen! Hat Ihre Tante
Caroline etwa seine Mutter gekannt?«
»Mrs. Bittersohn ist sehr wählerisch,
was ihre Bekanntschaften betrifft.« Sarah hatte auch eine scharfe Zunge, wenn
man sie wie jetzt genügend provoziert hatte. »Wie Sie aber selbst heute abend
festgestellt haben, ist ihr Sohn nicht im geringsten snobistisch, solange man
nicht versucht, zu vertraulich zu werden. Und er hat keine Kunstgalerie,
sondern er ist ein international bekannter Kunstexperte. Seine Arbeit bringt es
mit sich, daß er viel reist, so daß er es angenehm findet, sich hier eine
kleine Zweitwohnung einzurichten, und ich kann Ihnen versichern, daß ich mich
ungemein glücklich schätze, ihn als Pensionsgast zu haben.«
»Du liebe Zeit, ich wußte ja nicht — ich
muß wohl —« Miss Hartler kam ein wenig ins Schwimmen und stürzte sich sogleich
auf das nächste Opfer. »Und diese Mrs. Sorpende — diese Femme fatale, die so
offensichtlich auf
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