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Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Zeitungsfotograf werden will, und der hat ein paar schöne Bilder
gemacht, ohne daß sie es gemerkt haben. Hier, gucken Sie nur.«
    Mrs. Feeley hatte einen Sinn für das
Dramatische. Aus den Tiefen ihres Schnürbeutels, der genau zu der Schottenmütze
paßte, beförderte sie ein Bündel Fotos. Darauf konnte man die Hartlers bei
verschiedenen Gelegenheiten sehen: William, schreibend an seinem Schreibtisch,
in einem Zimmer, an dem über dem Bett ein Kruzifix an der Wand hing; Joanna,
wie sie gerade in langen Hosen, einem langen Tweedmantel, mit wehendem Schal
und einem Barett, das aussah wie ein Sofakissen, eine Holztreppe heraufstieg
und in der Hand eine altmodische Tasche trug; und beide Hartlers Arm in Arm
unter einer Straßenlaterne mit einem Schild, auf dem mit großen Buchstaben Busse zur Columbia Station geschrieben
stand.
    »Siehst du, Mary«, sagte sie und zeigte
sie Miss Smith, »das sind sie. Völlig eindeutig.«
    »Aber das ist doch der Mann von der
U-Bahn«, rief Miss Smith. »Der Mann, der Mr. Quiffen unter den Zug gestoßen
hat. Jetzt erinnere ich mich wieder. Ich habe ihn die Stufen herunterkommen
sehen und bemerkt, daß er Schuhe mit ganz hohen Absätzen anhatte. Es sah so
merkwürdig aus bei einem Mann in seinem Alter.«
    »Sind Sie sicher?« sagte Bittersohn
scharf.
    »Ganz sicher. Wenigstens weiß ich
genau, daß er da war, als es passiert ist.«
    »Und wann war das?« fragte Mrs. Feeley.
    »Etwa um Viertel vor fünf nachmittags,
am 14. Januar, an der Haymarket-Station. In der Zeitung stand, er wäre
gesprungen oder gefallen, aber man hat ihn gestoßen, und ich bin bereit zu
beschwören, daß ihm dieser Mann hier einen Stoß gegeben hat.«
    »Mary, Liebes, ich will dich keineswegs
der Lüge bezichtigen, aber du mußt wissen, Liebste, er kann es nicht gewesen
sein. Ich will damit nicht sagen, daß er es nicht hätte tun können. Ein Mann in
seinem Zustand, wer weiß da schon, wozu solche Menschen fähig sind, wenn es sie
überkommt. Ich sage nicht, daß er dazu nicht fähig war, denn immerhin hat man
den armen Kerl ja auch mit eingeschlagenem Kopf im Public Garden gefunden, wo
ich glatt geschworen hätte, daß er es ohne fremde Hilfe nicht mal allein zur
Toilette geschafft hätte, wenn deine Freunde es mir nicht übelnehmen, daß ich so
frei darüber spreche, und noch viel weniger zur Haymarket-Station. Aber ich
sage trotzdem, daß er es nicht war, weil wir ihn ja nie allein aus dem Haus
gelassen haben. Die Schwester hat das so gewollt, und daran haben wir uns
gehalten. Entweder Phil oder ich waren immer zur Stelle, um ihn keinen Moment
aus den Augen zu lassen, wo Phil jetzt pensioniert ist, aber das weißt du
sicher noch gar nicht. Du kannst aber Mrs. O’Rourke vom Erdgeschoß fragen, wenn
du mir nicht glaubst, weil die immer genau aufpaßt, wer wann aus dem Haus
geht.«
    Während sie noch sprach, hatte
Bittersohn die Fotos genommen und gab sie wortlos an Sarah weiter. »Einen
Augenblick«, unterbrach Sarah sie, nachdem sie kurze Zeit verwirrt die Bilder
betrachtet hatte. »Das ist doch gar nicht Mr. Hartler. Ich meine, er sieht zwar
so aus, aber es scheint eher so, als — als ob er und Miss Hartler die Kleidung
getauscht—«
    »Und genau das haben Sie auch getan,
nicht wahr, Miss Hartler?« fragte Bittersohn. »Die ganze Zeit, während Ihr
Bruder angeblich hier wohnte, haben Sie sich für ihn ausgegeben.«
    »Sie sind ja wahnsinnig! Wie hätte ich
denn das machen sollen?«
    »Das scheint mir nicht allzu schwer zu
sein. Zuerst einmal hat hier keiner außer Mrs. Kelling Ihren Bruder gekannt,
und sie kannte ihn auch nur flüchtig. Sie müssen ungefähr gleich groß gewesen
sein, wenn er seine Schuhe mit den hohen Absätzen nicht trug.«
    »Das stimmt«, warf Mrs. Feeley ein. »Er
ist richtig klein gewesen, wenn er seinen Morgenrock anhatte, aber er hat immer
diese komischen Schuhe getragen, wenn sie zusammen ausgegangen sind. Ohne die
Dinger wollte er nie nach draußen. Ich hab’ mal gewagt, sie selbst zu fragen,
warum sie denn keine Absätze trägt wie ihr Bruder, da hat sie zu mir gesagt: ›Wumps
würde das nicht billigem, hat sie gesagt, ›er muß größer sein als ich, weil er
doch das Familienoberhaupt ist.‹ Sie hat ihn immer Wumps genannt, fragen Sie
mich bloß nicht, wieso, ich hab’ auch noch nie einen komischeren Namen für ‘nen
erwachsenen Mann gehört. Und ihre Stimmen sind auch sehr ähnlich gewesen, bloß
daß er viel schneller und lauter gesprochen hat und sie immer ganz leise

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