Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rauchsalon

Der Rauchsalon

Titel: Der Rauchsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
Vom Netzwerk:
blauen Lidschatten, der die etwas verblaßte Farbe
ihrer Augen besonders hübsch betonte. Ein oder zwei kleine goldene
Schmuckstücke, die zweifellos ihrer Mutter oder Großmutter gehört hatten,
brachten ihr geschmackvolles Kleid, das ihr wie angegossen paßte, noch besser
zur Geltung. Mit Sicherheit würde sie an diesem Nachmittag zu den bestangezogenen
Personen gehören. Ihre Manieren waren weitaus besser als die von Professor
Ormsby, ihre Konversation interessanter als die von Mr. Porter-Smith und
bedeutend geistreicher als die von Miss LaValliere. Wenn sie doch bloß auch
Geld hätte!
    Es schellte wieder. Sarah entschuldigte
sich.
    »Essen Sie ruhig weiter. Es ist sicher
noch jemand von meiner Truppe.«
    Onkel Jem und sein leidgeprüftes
Faktotum standen vor der Tür, beide als Kellner herausgeputzt. Jeremy Kelling
trug eine dicke Kette um den Hals mit dem Emblem einer der verrufenen Zech- und
Schlemmergesellschaften, denen er angehörte, und verkündete, er werde den
Mundschenk spielen und sich um den Wein kümmern. Dolph rauschte herein, als sie
gerade die Mäntel ablegten, und verlangte zu wissen, was für einen Unsinn der
alte Esel an diesem Tag der Trauer wohl vorhabe. Jem zahlte es ihm sofort mit
der Bemerkung heim, daß jeder Tag, an dem Dolph auftauchte, automatisch ein Tag
der Trauer sei. Sarah überließ die beiden ihrem gewohnten Austausch von
Nettigkeiten und ging zurück zu Miss Smith.
    »Mein Onkel und mein Cousin sind gerade
angekommen, zusammen mit Egbert, dem Kammerdiener meines Onkels. Wenn Sie
sicher sind, daß Sie auch wirklich genug gegessen haben, können Sie ja
mitkommen und sich für das Schlimmste wappnen.«
    Miss Smith strich sich noch kurz nervös
über die makellose Frisur, wusch sich die Hände über der Spüle, frischte ihren
Lippenstift auf und folgte Sarah in die Bibliothek.
    »Miss Mary Smith, darf ich Ihnen meinen
Onkel Jeremy Kelling, meinen Cousin Dolph Kelling und Mr. Egbert Browne
vorstellen, der als einziger von uns allen völlig normal ist?«
    Alle beteuerten, es sei ihnen sehr
angenehm, die Bekanntschaft des anderen zu machen. Als Dolph ihre Hand
schüttelte, sagte er: »Mary Smith, ja? Ich glaube, den Namen habe ich schon
einmal irgendwo gehört. Kann es sein, daß wir uns bereits kennen?«
    »Ich habe zumindest eine Ihrer Reden
gehört«, erwiderte Mary Smith, die sich nicht sicher war, ob Dolph es ernst
meinte oder nur versuchte, einen Witz zu machen, was aber durchaus nicht der
Fall war. »Sie haben vor kurzem vor einer Gruppe gesprochen, bei den Senioren
von North End.«
    »Mhm ja, stimmt. Und Sie waren auch da?
So ein Zufall.«
    »Ich fand, daß Sie einige sehr
interessante Punkte erwähnt haben, was die Bedürfnisse von Senioren angeht.
Aber es war schade, daß Sie ein Thema überhaupt nicht angesprochen haben. Was
die Stadt nämlich wirklich braucht, ist eine Reihe von Recycling-Depots, wo die
Leute Altpapier, Leergut und Konservendosen hinbringen können, und auch all die
anderen Sachen, die sie so aufsammeln, und wo man ihnen vielleicht ein bißchen
Geld für ihre Mühe gibt. Das würde sich positiv auf das Abfallproblem
auswirken, der Vermehrung von Ratten und anderem Ungeziefer entgegen wirken,
dem Umweltschutz dienen und alten und benachteiligten Menschen ein wenig
Taschengeld einbringen.«
    »Meine Güte, was für eine hervorragende
Idee! Und das Zeug, das die Leute sammeln, könnte man an Recycling-Firmen
verkaufen; über kurz oder lang würde sich die ganze Geschichte wenigstens zum
Teil schon selbst finanzieren.«
    »Das denke ich auch. Aber man braucht
dazu wohl einen dicken Batzen Startkapital, damit alles richtig ins Rollen
kommt. Und jemanden mit sehr viel Energie und sehr viel Gemeinsinn.«
    »Und Know-how.«
    Dolph hatte diesen Ausdruck erst vor
kurzem kennengelernt und benutzte ihn jetzt viel zu häufig. Jeremy Kelling
begann, unhöfliche Laute von sich zu geben, aber Sarah schob ihn brutal weg.
    »Onkel Jem«, zischte sie ihm ins Ohr.
»Wenn du wagen solltest, irgend etwas Gemeines über Miss Smiths Vorschlag zu
sagen, breche ich dir das Genick. Komm lieber mit, und hilf mir, die Gläser zu
füllen.«
    In Wirklichkeit war er alles andere als
hilfreich, er schüttelte bloß die großen Flaschen hin und her, schnaubte, als
er die Etiketten las’ und heulte »Billiges Gesöff! Schlechter Fusel!« und
ähnliche Kennerausdrücke. Trotzdem schafften sie es schließlich, ein paar
Tabletts vorzubereiten, und Sarah konnte damit anfangen, ihre

Weitere Kostenlose Bücher