Der Rausch einer Nacht
gesellschaftlicher Stellung bieten konnte. Nur die allerwenigsten haben wirklich mich gewollt.«
»Woher weißt du denn, daß Mary nur dich will?« fragte Diana und versuchte sich vorzustellen, wie sie seinen Antrag verneint hätte.
Ihr Vater grinste, und seine Augen strahlten vor Wärme und Zuneigung. »Dessen bin ich mir vollkommen und absolut sicher. Sie will mich als Menschen und wird das auch in Zukunft wollen.«
»Aber wieso hast du dann befürchtet, sie könnte dich womöglich ablehnen?«
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Weil ihre Persönlichkeit Geldgier und Statusbewußtsein nicht kennt. Mary ist eine sehr intelligente Frau, aber sie und Corey haben bislang ein einfaches Leben in einer Kleinstadt geführt, wo niemand superreich ist, zumindest nach unseren Houstoner Maßstäben. Sie hat sich ebenso rasch in mich verliebt wie ich mich in sie, und schon nach einer Woche war sie bereit, mich zu heiraten. Aber als ihr dann bewußt wurde, was für ein Leben wir hier führen, fing sie an, sich langsam zurückzuziehen.
Sie hat sich große Sorgen darum gemacht, daß ihre Tochter und sie nicht in unsere Kreise passen würden, daß sie beide sich gesellschaftlich unmöglich benehmen oder ihnen ein schlimmer Patzer unterlaufen würde, an dessen Ende du und ich ziemlich blamiert dastünden. Und je länger Mary darüber nachgedacht hat, desto überzeugter wurde sie davon, uns nicht genügen zu können und vielleicht auch zu schaden.«
Robert streckte eine Hand aus und strich seiner Tochter eine Locke ihres kastanienbraunen Haars von der Wange. »Stell dir das nur mal vor: Mary war gewillt, allen Reichtum und alle Sicherheit, die ich ihr bieten kann, zu ignorieren - all die Dinge, hinter denen meine früheren Beziehungen so sehr her waren -, und das nur, um mich nicht als Ehefrau und dich nicht als Mutter zu enttäuschen. So etwas ist ihr nämlich überaus wichtig.«
Diana war ihre neue Stiefmutter zwar schon gleich sympathisch gewesen, als sie ihr heute nachmittag vorgestellt wurde. Aber die Zärtlichkeit in den Augen ihres Vaters und die Liebe in seiner Stimme, wenn er von Mary sprach, ließen ihr diese Frau um so lieber werden. »Ich glaube, ich mag sie sehr«, gestand sie ihm.
Erleichterung breitete sich auf seiner Miene aus. »Ich habe gewußt, daß du sie in dein Herz schließen würdest. Sie mag dich nämlich ebensosehr. Mary hat mir gesagt, du seist sehr süß und so ausgeglichen. Sie meinte, eigentlich hättest du alles Recht gehabt, hysterisch zu reagieren, als du heute nachmittag nach Hause zurückgekehrt bist und hier eine Stiefmutter angetroffen hättest, von der du noch nie etwas gesehen oder gehört hattest. Aber wart's nur ab, bis du deine neuen Großeltern kennengelemt hast«, fügte er begeistert hinzu.
»Corey hat mir schon erzählt, die beiden seien sehr nett«, entgegnete Diana und ließ im Geist all die Informationen Revue passieren, die ihre neue Stiefschwester ihr am ersten Tag, den sie zusammengewesen waren, mitgeteilt hatte.
»Ja, das sind sie wohl. Bei den beiden handelt es sich um gute, aufrichtige und hart arbeitende Menschen, die viel lachen und einander immer noch sehr zugetan sind. Coreys Großvater versteht eine Menge von Gartenpflege, ist Amateur-Erfinder und hat es als Zimmermann zu einigem Ruf gebracht. Ihre Großmutter hat eine starke künstlerische Ader und betätigt sich gern mit den Händen. Und jetzt«, sagte er und wirkte wieder etwas angespannt, »erzähl mir bitte, was du von Corey hältst.«
Diana schwieg für einen Moment und dachte darüber nach, wie sie ihre Gefühle für die neue Stiefschwester am besten in Worte kleiden konnte. Dann beugte sie sich vor, schlang die Arme um die Knie und lächelte. »Na ja, sie unterscheidet sich schon irgendwie von den anderen Mädchen, die ich kenne ... Corey ist freundlich und ehrlich, und sie sagt geradeheraus, was sie denkt. Meine neue Schwester ist noch nie aus Texas herausgekommen, sie gibt sich nicht cool oder hochnäsig, dabei hat sie schon viele Dinge getan oder erlebt, von denen ich keine Ahnung habe ... Ach so, ja, sie hält dich übrigens für so eine Art König«, fügte sie feixend hinzu.
»Was für eine gescheite, scharfsinnige junge Dame.«
»Ihr leiblicher Vater hat sich aus dem Staub gemacht, als Corey noch ein Baby gewesen ist«, fügte Diana hinzu. Die Vorstellung, daß ein Elternteil zu so etwas fähig sein konnte, ernüchterte sie doch sehr.
»Seine Verantwortungslosigkeit und wohl auch Dummheit sind
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