Der Rausch einer Nacht
lieber, wenn ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehe.«
Sie feixte dabei leicht verlegen, und das war so ansteckend, daß der Pfleger mitgrinste.
»Sagen Sie jetzt nichts, sondern lassen Sie mich raten: Ein Pferd hat Sie einmal abgeworfen, und das hat ziemlich weh getan, richtig?«
»Zum drittenmal richtig«, antwortete sie. »Ich bin gegen einen Zaun geflogen und habe mir dabei das Handgelenk gebrochen.«
»Die einzige Möglichkeit, eine solche Angst zu überwinden, besteht darin, sich gleich wieder auf einen Pferderücken zu setzen«, belehrte er sie.
»Genau das habe ich getan«, versicherte sie ihm mit ernster Stimme und einem belustigten Funkeln in den Augen.
»Und was geschah dann?«
»Ich habe mir eine Gehirnerschütterung geholt.«
Cole knurrte der Magen, und er dachte unwillkürlich an die Äpfel. Dummerweise besaß er einen unstillbaren Appetit, mußte sich aber mit einem schmalen Geldbeutel begnügen. »Ich bringe den Sack hier lieber nach hinten, bevor jemand drauftritt oder darüber stolpert«, erklärte er, nahm die Äpfel, trug sie in den rückwärtigen Teil und war festen Willens, sich einen Anteil davon abzuzwacken.
Als er am Ende der langen Reihe von Boxen an der des in Ehren altgewordenen Buckshot vorbeikam, schob dieser seinen Kopf heraus, reckte den Hals, um die Äpfel zu erreichen, und sah den Pfleger hoffnungsvoll und fragend zugleich an.
»Du kannst kaum noch laufen und bist halbblind, aber dein Geruchssinn ist noch tadellos«, erklärte Cole ihm grienend, holte einen Apfel aus dem Sack und gab ihn dem alten Hengst. »Erzähl aber bloß deinen Stallkameraden nichts davon. Ein paar von diesen Früchten gehören nämlich mir.«
Kapitel 3
Der Pfleger legte gerade frisches Heu in die leeren Boxen, als einige der jungen Reiterinnen in den Stall marschiert kamen. »Diana, wir müssen mit dir wegen Corey reden«, verkündete Haley Vincennes.
Cole ließ die Arbeit für einen Moment ruhen, hob den Kopf und erkannte sofort, daß die Mädchen-Jury gleich ihr Urteil bekanntgeben würde. Und er wußte, daß es nicht gut ausfallen würde. Diana schien das auch zu spüren, und sie versuchte gleich, sie davon abzubringen, indem sie liebenswürdig und mit Überzeugungskraft erklärte: »Ich weiß genau, daß ihr Corey mögen werdet, sobald ihr sie erst etwas besser kennengelemt habt, und dann sind wir alle die besten Freundinnen.«
»Dazu wird es nie kommen«, entgegnete Haley arrogant und endgültig. »Keine von uns hat etwas mit einer aus irgendeinem Bauernkaff gemein, von dem wir noch nie etwas gehört haben. Ich meine, hast du das Sweatshirt gesehen, das sie letzte Woche getragen hat, als du sie hier angeschleppt hast? Corey sagte, ihre Oma habe ihr den Pferdekopf darauf gemalt.«
»Mir hat er gefallen«, erwiderte Diana trotzig. »Coreys Großmutter ist nämlich eine echte Künstlerin.«
»Künstler malen auf Leinwand und nicht auf Sweatshirts, als ob du das nicht wüßtest. Und ich verwette das Taschengeld eines Monats darauf, daß die Jeans, die Corey heute anhat, von der Stange ist, womöglich aus einem Kaufhaus wie Sears!«
Ein Chor von Gemurmel und Gelächter bewies, daß die anderen Mädchen derselben Ansicht waren. Dann meldete sich Barb Hayward zu Wort und gab damit den Ausschlag für ein einstimmiges Urteil, obwohl sie ein wenig ängstlich klang, als sie den Stab über Corey brach: »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, Diana, wie sie zu uns passen könnte. Genauso wenig wie zu dir.«
Cole verzog vor Mitleid mit Corey und Mitgefühl für die arme Diana schmerzlich das Gesicht. Er war sicher, daß die Brünette dem Druck ihrer Freundinnen nicht würde standhalten können.
Aber das zierliche Mädchen ließ sich nicht einschüchtern und entgegnete, ohne auch nur für eine Sekunde die Freundlichkeit in ihrer Stimme zu verlieren: »Es tut mir wirklich leid, wenn ihr alle so denkt.« Sie sprach Haley direkt an, von der Cole bereits wußte, daß sie die Anführerin der Clique und die Biestigste in dieser Ablehnungsfront war. »Ich hätte allerdings nie geglaubt, daß ihr Coreys Konkurrenz so fürchtet und ihr deshalb nicht einmal eine Chance geben wollt.«
»Was für eine Konkurrenz?« wollte Barb wissen. Sie wirkte verblüfft, aber auch besorgt.
»Bei den Jungs. Ich meine, Corey ist ziemlich hübsch, und sie hat eine angenehme Art. Ist doch wohl ganz natürlich, daß die Jungs an ihr kleben, wohin sie auch geht.«
In der Box, ein gutes Stück den Gang hinunter, hörte
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