Der Rausch einer Nacht
Handtasche zu kommen. Dann haben sie einen Wagen aufgebrochen und sind damit geflüchtet. Dabei haben sie eine rote Ampel überfahren, und gleich war die Polizei hinter ihnen her. Die beiden hatten über hundert Sachen drauf, als sie frontal gegen einen Laternenpfahl prallten. Coles Brüder waren auf der Stelle tot. Damals habe ich schon gesagt, fort mit Schaden, und heute würde ich das genauso sagen.
Sam hat die beiden Jungs aber sehr geliebt. Sie waren eben wie er. Der Apfel fällt nun einmal nicht weit vom Stamm.«
»Aber Cole war anders«, warf die junge Frau rasch ein, als er eine Pause einlegte.
»Das kann man wohl sagen. Er ist, im positiven Sinne, vollkommen aus der Art geschlagen. Außerdem war er intelligenter als Vater und Brüder zusammen. Das ist ihnen natürlich nicht verborgen geblieben, und deswegen haben sie ihn gehaßt. Die einzigen Freunde, die der Junge in jener Zeit besaß, waren seine Hunde. Gleich ob Hunde, Katzen oder Pferde, alle Tiere haben ihn auf Anhieb gemocht, und er hat sie ebenfalls geliebt. Vielleicht haben die Viecher ja gespürt, wie hilflos und allein man sich fühlt, wenn man niemanden hat, an den man sich wenden kann.«
»Dann war Cole also der einzige aus der Familie, der das College besuchte?« fragte Diana.
Cal lächelte humorlos. »Er war auch der einzige von ihnen, der die zehnte Klasse geschafft hat.« Der Onkel drehte sich unvermittelt zu ihr um. »Ist dir der Collie auf dem einen Bild aufgef allen?«
»Ja, warum?«
»Ungefähr eine Woche, bevor Cole aufs College ging, haben die Brüder ihm ein ganz besonders gemeines Abschiedsgeschenk gemacht.«
Die junge Frau ahnte, daß sie jetzt etwas Furchtbares zu hören bekommen würde, aber das, was nun folgte, traf sie dennoch unvorbereitet.
»Sie haben den Collie in der Scheune aufgehängt.«
Diana stöhnte, sprang auf und riß sich entsetzt die Hand vor den Mund. Erst nach einem Moment konnte sie sich wieder setzen.
»Danach haben sie sich verdrückt und sind erst wiedergekommen, als Cole fort war. Wenn er sie erwischt hätte, hätte er sie wohl umgebracht.«
»Konnte Cole denn nicht woanders hingehen?«
»Nun ja, er hätte hier bei mir leben können, aber sein Vater wollte ihn auf der Ranch behalten, damit er echte Männerarbeit lernte. Mindestens tausendmal hat Tom gedroht, wenn Cole sein Zuhause verlasse, würde seine Mutter das zu spüren bekommen. Und seine Mom wollte diesen Dreckskerl nicht verlassen, mochte sie auch immer kränker und schwächer werden. Als Cole dann aufs College ging, war ihr schon nicht mehr zu helfen. Die arme Frau wußte die halbe Zeit nicht, wo oder wer sie war. Mit anderen Worten, Tom hatte keine Lust mehr, sich an ihr zu vergreifen.«
Diana war immer noch ganz schlecht von dem, was die Brüder mit dem Hund gemacht hatten. »Und was ist mit Coles Vater? Lebt der denn noch?«
»Er ist vergangene Woche gestorben.«
Diana begriff jetzt, daß es vorhin zwischen den beiden darum gegangen sein mußte, als sie in die Küche gekommen war.
»Ich habe Cole heute morgen gesagt, er solle dort vorbeischauen. Könnte doch sein, daß seine Mom etwas für ihn hinterlassen hat. In Wahrheit wollte ich allerdings, daß er sich als Erwachsener dem Ort seiner Kindheit stellt. In einem meiner Fachbücher steht geschrieben, wenn ein Erwachsener mit den schlimmen Dingen seiner Jugend konfrontiert werde, fühle er sich besser und könne das Geschehene gezielter verarbeiten. Ob er nun tatsächlich dorthin gefahren ist oder nicht, ich würde es für eine gute Idee halten, wenn Cole sich sicher sein dürfte, daß du das Haus gesehen hast. Doch ich habe irgendwie das Gefühl, daß er heute diese Kurve noch nicht nimmt.«
»Zeichne mir bitte ein Wegskizze«, sagte sie und küßte ihn auf die Wange. »Ich lauf' nur zurück ins Haus und hole die Schlüssel von dem Pick-up.«
Cal hätte ihr ja gern Lettys Wagen angeboten, weil Cole mit seinem losgefahren war, aber die Haushälterin war zum Einkaufen unterwegs.
Kapitel 50
Cole stand vor dem Vorgarten seines Geburtshauses, einer vierzimmrigen Hütte mit einem verrotteten Dielenboden, ein häßlicher Fleck auf einem verfluchten Stück Boden.
Hier war er aufgewachsen, und von diesem Ort stammte er.
Der junge Mann war sich nicht sicher, warum er überhaupt zu diesem Haus gefahren war. Seine Mutter war gestorben, deswegen hatte er hier nichts mehr verloren. Vielleicht wollte er sich aber auch nur den Geistern dieses Ortes stellen und dann alles
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