Der Rausch einer Nacht
niederbrennen.
Dieses alte Grundstück hielt keine wunderbaren Erinnerungen für ihn bereit. Das einzig Schöne an diesem Haus war seine Mom gewesen, und die war kurz nach ihrem zweiundvierzigsten Geburtstag gestorben. Vor ihrem Tod hatte er sie jedoch noch einmal gesehen. Per Anhalter war er damals in die Stadt gefahren, um ihr ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen, und daher erst recht spät nach Hause gekommen.
Als er eingetreten war, hatte ihn Stille empfangen, und für einen Moment hatte er sich der trügerischen Hoffnung hingegeben, sein Vater läge wieder betrunken in der Scheune - vielleicht sogar an einem noch entfernteren Ort.
Fast hatte er die Tür zum Zimmer seiner Mutter erreicht, als Toms Stimme wie ein Peitschenhieb aus einer dunklen Ecke des Wohnzimmers ertönte. »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt, verdammter Bengel?«
Cole suchte nach dem Lichtschalter, während er in Gedanken abzuschätzen versuchte, in welcher Stimmung sein Vater sich befand. Aufgrund seiner langen Erfahrung, die auch dringend nötig war, wenn er sich oder seine Mutter nicht dafür büßen lassen wollte, erkannte er, daß Tom zwar schlechte Laune hatte, aber noch nicht gewalttätig war.
»Ich hatte was in der Stadt zu erledigen.«
»Du verdammter Lügner. Warst wieder in Jacksonville, bei deinem Onkel, diesem Arschloch, damit er dir wieder den Kopf mit seinen verrückten Ideen vollstopfen kann. Ich habe dir doch gesagt, was dir blüht, wenn du noch einmal zu ihm gehst. Aber wer nicht hören will, muß fühlen!«
Cole korrigierte seine Einschätzung: Sein Vater befand sich in potentiell gewalttätiger Stimmung. Als Kind hatte er sich in Momenten wie diesen vor lauter Angst übergeben müssen. Später hatte er die Furcht nur mit der Vorstellung ertragen, diesen Mann eines Tages zu ermorden, auch wenn er dafür den Rest seines Lebens ins Gefängnis wanderte.
Tom starrte auf das in Geschenkpapier eingewickelte Päckchen, das Cole in der Hand hielt, und vergaß den Grund für seinen Zorn. »Was soll das denn da sein?«
»Ein Geschenk für Mom. Zu ihrem Geburtstag.«
Das schien seinen Vater zu amüsieren, und er griff danach. »Was hast du ihr denn gekauft?«
Der junge Mann hielt das Päckchen außerhalb der Reichweite seines Vaters. »Nichts, womit du etwas anfangen könntest. Eine hübsche Haarbürste und einen Handspiegel.«
»Was hast du getan? Der alten Krähe eine Haarbürste und einen Spiegel gekauft? Das ist ja noch komischer als die Vorstellung, daß aus dir mal ein richtiger College-Student werden könnte.« Damit schien er sich zufriedenzugeben, wandte sich wieder seiner Whiskeyflasche zu, und der Junge konnte weitergehen.
Er betrat das Zimmer seiner Mutter. Sie döste und hatte den Kopf zur Seite gedreht. Auf dem mit Schrammen übersäten Nachttisch stand ein Teller mit einem halbgegessenen Sandwich. Cole schaltete das Licht ein und hockte sich zu ihr auf die Bettkante. »Ist das alles, was du heute abend gegessen hast?«
Mom drehte sich zu ihm um, sah ihn an und blinzelte, weil das Licht ihren Augen weh tat. »Ich hatte nicht mehr Hunger«, lächelte sie. »Habe ich eben wirklich deinen Vater schimpfen gehört, oder war das nur ein Traum?«
»Doch, er hat gebrüllt.«
»Du solltest ihn nicht immer so aufregen, Junge.«
Cole hatte nie verstehen können, weshalb sie sich ihr Leben lang der Übellaunigkeit Sams unterworfen und sich auch seine Schläge gefallen lassen hatte. Genauso ärgerte er sich darüber, daß sie ständig um Verständnis für ihn warb und Entschuldigungen für ihn vorbrachte. Nicht selten mußte Cole arg an sich halten, um ihr keine Vorwürfe zu machen, warum sie sich nicht endlich zur Wehr setzte. Aber seine Mutter wollte ihren Mann nicht verlassen, und der Junge konnte es wiederum nicht ertragen, sie in seiner Gewalt zu wissen.
»Ich habe dir ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht.«
Sie strahlte über das ganze Gesicht, und für einen Moment konnte der junge Mann ihre Schönheit erahnen, von der Cal ihm berichtet hatte. Mom nahm das Päckchen, schüttelte es, um den Moment der Aufgeregtheit zu verlängern, und wickelte es dann aus. »Oh, wie wunderbar!« rief sie, nachdem sie die Schachtel geöffnet hatte. »Aber, Junge, wo hast du denn das Geld dafür her?«
»Warum für etwas bezahlen, wenn ich es genausogut stehlen kann?«
»Nein, Cole, bitte nicht!«
»War doch nur ein Scherz, Mom. Wenn ich es wirklich gestohlen hätte, meinst du, dann wäre ich damit noch zur Kasse gegangen, um es
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