Der Rausch einer Nacht
dreiundzwanzig Uhr saß sie immer noch unbeweglich in ihrem Sessel, mit eingezogenen Beinen und einer Decke um die Schultern, um die Kälte abzuwehren, die ihre Hände in Eis verwandelte und sie unentwegt zittern ließ.
Corey meldete sich alle Viertelstunde am Telefon. Diana ließ sie auf den Anrufbeantworter sprechen, weil sie sich nicht vom Fleck rühren konnte.
Cole rief nicht ein einziges Mal an.
Die junge Frau konnte weder Tränen vergießen noch sich übergeben. Sie war einfach vollkommen leer.
Cole rief überhaupt nicht an.
Um dreiundzwanzig Uhr fünfzehn meldete sich ihre Schwester wieder. Doch jetzt klang sie nicht mehr besorgt, sondern wütend. »Diana, wenn du jetzt nicht sofort abhebst, komme ich gleich bei dir vorbei.«
Die junge Frau zwang sich, die Hand zum Hörer auszustrecken. Doch als es ihr endlich möglich war, ihn aufzunehmen, hatte Corey schon längst aufgelegt.
In Rekordzeit erreichte sie das Apartmenthaus und ließ sich und Spence mit dem Ersatzschlüssel ein, den ihre Schwester ihr gegeben hatte.
»Diana?« Corey trat vorsichtig zu ihr. Diana beobachtete das uninteressiert und fragte sich schon, ob die beiden glaubten, sie hätte den Verstand verloren. Spence ging vor ihr in die Hocke. Wie liebevoll und rührend er sie ansah. »Diana?«
»Was hat Charles Hayward dir erzählt?«
Corey kniete sich neben ihren Mann und verkrampfte eine Hand auf seiner Schulter, um sich gegen das zu wappnen, was sie jetzt zu hören bekommen würde.
Diana hob den Kopf und sah die beiden eigenartig an. Nachdenklich antwortete sie dann ganz sachlich und unbeteiligt: »Charles sagte, Cole habe Barbara vergewaltigt. Die ist davon schwanger geworden und mußte eine Abtreibung vornehmen lassen. Jetzt kann sie keine Kinder mehr bekommen und befindet sich bis zum heutigen Tag in psychiatrischer Behandlung.«
»Was?« schrie Corey und sprang hoch.
Ihre Schwester folgte mit den Augen ihrer Bewegung, legte den Kopf in den Nacken und fragte leise: »Ist das nicht erstaunlich?«
»>Erstaunlich« Corey warf Spence, der sich jetzt ebenfalls wieder erhob, einen besorgten Blick zu. »Du findest das also erstaunlich, ja?«
Dann geschah das, wovor Diana sich unbewußt schon seit Stunden fürchtete: Sie bekam einen Lachkrampf und konnte nicht mehr damit aufhören. »Cole hätte Barbara niemals angerührt. Er hatte eine Heidenangst, daß eine von uns eines Tages zu weit gehen würde. Weißt du noch, wie wir uns alle angestrengt haben, ihn zu provozieren?«
»Ja, daran erinnere ich mich«, entgegnete Corey, wirkte jetzt aber noch nervöser als vorher und ließ ihre Schwester nicht aus den Augen.
»Das ist so komisch, so unglaublich komisch.«
»Was ist komisch?« fragte Corey vorsichtig, wußte jetzt aber, daß Diana durchaus noch klar denken konnte, was sie beim Hereinkommen stark bezweifelt hatte.
»Na, die Wette!« grinste Diana. »Zum Totlachen. Ich muß es wissen, weil ich schließlich die Einsätze aufbewahrt habe.«
»Was für Einsätze?«
»Die von der Wette«, prustete ihre Schwester. »Alle in unserer Clique, auch Barbara, haben ihren Einsatz bei mir abgegeben. Diejenige von uns, die zuerst einen Kuß von Cole bekommen würde, sollte den ganzen Pott erhalten.« Diana lachte schriller. »Ich war die Schatzmeisterin, und keine hat sich jemals bei mir gemeldet, um das ganze Geld einzustreichen ...«
Diana drehte sich im Sessel, vergrub das Gesicht im Polster und fing an zu schluchzen. »Keine hat gewonnen! Sie versuchen, ihn zu vernichten ... Niemand hat gewonnen!«
Kapitel 55
Am nächsten Morgen rief Diana bei Cole zu Hause an. Der Mann, der sich dort meldete, erklärte ihr, Mr. Harrison sei in der Firma. Seine Sekretärin teilte ihr mit, Mr. Harrison halte sich nicht im Hause auf.
Für Diana lag die Antwort klar auf der Hand: Männer betrachteten sie nur als Vergnügungsobjekt und ließen sie fallen, wenn sie mit ihr ihren Spaß gehabt hatten. So auch Cole. Während sie auf der Ranch seines Onkels Flitterwochen gespielt hatten, hatte er sich von ihr genommen, was er kriegen konnte. Aber danach war der Alltag zurückgekehrt, und er hatte sich gleich um andere Dinge gekümmert. Entweder war Diana ihm jetzt nur noch lästig, oder er hatte sie schon vollkommen vergessen. Ihr Verstand konnte diese Erklärung akzeptieren, aber ihr Herz schmerzte um so schlimmer.
Irgendwie gelang es ihr, den Arbeitstag bis zum Feierabend durchzustehen. Aufgrund ihres neu gefaßten Entschlusses, sich weniger persönlich um
Weitere Kostenlose Bücher