Der Rausch einer Nacht
durchführen zu dürfen.
Beim erstenmal waren sie auf kein Öl gestoßen, aber nach drei Jahren zurückgekehrt, um für weitere fünftausend Dollar neue Bohrungen zu unternehmen. Dabei hatten sie ein Erdgasvorkommen entdeckt, dessen Größe jedoch den Aufwand nicht lohnte. So war die Firma end-gültig abgezogen, und Cole und Calvin hatten diesen Traum begraben.
Doch vor ein paar Monaten war eine größere Firma bei seinem Onkel aufgetaucht. Man wollte es auf einem anderen Stück seines Landes versuchen. Cal erklärte ihnen, sie würden nur ihre Zeit verschwenden, und Cole hatte ihm damals zugestimmt. Aber offensichtlich hatten Onkel wie Neffe falsch gelegen. Im heutigen Schreiben teilte Calvin ihm nämlich mit, daß die zweite Bohrfirma fündig geworden sei und nicht nur das Öl, sondern auch das Geld von nun an kräftig sprudele.
Cole öffnete die Augen wieder und griff nach dem dicken Umschlag, in dem sich der Brief seines Onkels und eine Kopie des Vertrages befanden, den die Firma aufgesetzt und Calvin zur Unterschrift vorgelegt hatte.
Nach den privaten Berechnungen seines Onkels würde er im kommenden Jahr zweihundertfünfzigtausend Dollar verdienen. Cole wußte, daß er in seinem ganzen Leben als Rancher nie soviel Geld auf einem Haufen gesehen hatte. Was für eine Ironie, dachte der junge Mann, daß von allen Harrisons Calvin Patrick Downing derjenige war, der diesen warmen Regen am wenigsten genießen würde. Von Natur wie auch von seiner Überzeugung aus war sein Onkel ein ausgemachter Geizhals. Selbst eine Viertelmillion würde daran nichts ändern.
Statt zwei Dollar auszugeben und seinen Neffen telefonisch über die tollen Neuigkeiten zu informieren, hatte er ihm lieber den Brief und die Vertragskopie mit der ganz normalen Post geschickt. Nicht als Eilbrief und nicht als Einschreiben.
Als Grund für die Übersendung des Vertrags gab er in dem Schreiben folgendes an: »Die Bohrfirma sagt, es handele sich dabei um einen Standardkontrakt, und an dem könne man nichts mehr ändern. Ich denke mir, es hat überhaupt keinen Zweck, einen blutsaugerischen Anwalt aufzusuchen, der sich dieses ganze Fachchinesisch durchliest und mir dann genau das gleiche erklärt.
Deswegen habe ich mir gedacht, an Deiner Universität gibt es doch auch eine juristische Fakultät. Geh doch mal zu einem von den angehenden Winkeladvokaten dort und sag ihm, er soll sich den Wisch durchsehen. Wenn das nicht geht, dann lies ihn Dir gründlich durch und sag mir dann, ob Du glaubst, diese Leute von der Southfield Exploration haben ein paar Tricks und Fallen eingebaut.«
Ja, das war sein Onkel, wie er leibte und lebte. Jeden Cent zweimal umdrehen und zusehen, ob man nicht irgendwo noch etwas einsparen konnte.
Calvin schnitt fleißig Gutscheine aus den Anzeigen in den Zeitungen, schnitt sich selbst die Haare, flickte seine Jeans und konnte fuchsteufelswild werden, wenn die Preise für Nahrungsmittel oder Kaninchendraht angestiegen waren. Mehr als alles andere auf der Welt haßte er das Geldausgeben.
Aber den ersten Scheck über zehntausend Dollar, den die Bohrfirma ihm überreicht hatte, hatte er bereitwillig in Cole investiert, damit dieser das College besuchen konnte.
Und den zweiten Scheck über fünftausend Dollar hatte er ebenfalls seinem Neffen überlassen.
Als rebellischer junger Mann hatte Cole oft die vierzig Meilen bis zur Ranch seines Onkels per Autostopp zurückgelegt und dort die Wärme und das Verständnis gefunden, die sein leiblicher Vater ihm nicht geben konnte. Calvin hatte als einziger die Frustration seines Neffen verstanden und an seine Träume geglaubt - und dafür liebte Cole ihn. Aber der Großonkel hatte es nicht bei teilnahmsvollen und ermutigenden Worten belassen, sondern ihm auch das viele Geld gegeben, damit der Junge sich eine richtige Zukunft aufbauen konnte - in der ihm alle Möglichkeiten offenstanden - und nicht in Kingdom City versauern mußte. Deswegen verspürte der Junge eine besondere Loyalität seinem Onkel gegenüber und fühlte sich ihm zur Dankbarkeit verpflichtet.
Der Kontrakt setzte sich aus fünfzehn in juristischer Fachsprache abgefaßten Seiten zusammen. Calvin hatte mit Bleistift ein paar Bemerkungen an den Rand geschrieben, und Cole mußte oft genug über die Bauernschläue des alten Mannes schmunzeln.
Sein Onkel hatte die Schule nach der zehnten Klasse verlassen und sich eine Arbeit gesucht. Aber er war immer schon ein besessener Leser gewesen, der sich die fehlende Bildung selbst
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