Der Rausch einer Nacht
Mut: »Ich habe gerade versucht, Ihnen klarzumachen, daß eine Pressekonferenz zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur als freundliche Geste, sondern als absolute Notwendigkeit angesehen werden muß. Die Medien stellen die Cushman-Übernahme bereits als ein Massaker dar. Die Verlierer haben sich schon beschwert, bevor die Schlacht überhaupt vorüber war.«
»Ich ziehe in die Schlacht, ich gewinne. Die andere Seite verliert. So einfach ist das.«
Gloria sah ihn direkt an und entschied sich zu einem Verzweiflungsschritt, der sie möglicherweise den Job kosten würde. »Nach Aussagen Ihrer Opponenten und nach Meinung vieler Wall-Street-Größen spielen Sie unnötig brutal und nehmen keine Gefangenen. Die Zeitungen malen ein Bild von Ihnen, das Sie als beutegierigen Wolf zeigt, der aus Sport, aber nicht aus Hunger tötet.«
»Ein sehr farbiges Bild, Miß Quigley«, entgegnete er mit schneidendem Spott.
»Das stammt nicht von mir«, erwiderte sie und fühlte sich unter seinem Tonfall immer unbehaglicher.
»Dann will ich Sie einmal über die Fakten aufklären: Cushman Electronics wurde vor sechzig Jahren von einem Genie gegründet. Aber seine Erben sind von einer Generation zur nächsten immer bequemer und geistig träger geworden. Die heutigen Nachfolger, die den Vorstand unter sich aufgeteilt haben, sind in Luxus und Reichtum aufgewachsen und durften die besten Schulen besuchen. Trotz des Umstands, daß sie ihre Firma den Bach haben hinuntergehen lassen und die Interessen ihrer Aktionäre sträflich vernachlässigten, sind sie immer noch so sehr von ihrer eigenen Unfehlbarkeit überzeugt, daß sie einfach nicht begreifen konnten, wie ihnen geschah.
Diese Leute sind fest davon ausgegangen, daß irgendein alter Herr aus ihrer Studentenverbindung als Rettungsengel erscheinen und ihnen die nötige Finanzspritze verpassen würde. Die wollten sie dann entweder unter sich aufteilen oder dazu benutzen, weitere Übernahmeversuche abzuwehren. Aber kein Retter in der Not ist erschienen, niemand hat sich für sie stark gemacht.
Statt dessen haben sie ihre Firma an mich verloren -einen Emporkömmling, der am falschen Ende der Gesellschaftshierarchie geboren wurde. Das demütigt diese Herren ungeheuer und beleidigt in ihren Augen allen Status und all ihre Kultur. Deswegen haben sie auch an der Wall Street Zeter und Mordio geschrien. Sie und ich haben uns nicht zu einem Teekränzchen zusammengefunden, sondern uns in einer harten Schlacht gegenübergestanden. In einer solchen gibt es aber nur Sieger und Verlierer, und die Cushmans haben sich als schlechte Verlierer erwiesen.«
Harrison sah sie an, als erwarte er, daß die junge Frau nun ihren Fehler einsehen und sich zurückziehen würde. Aber Gloria blieb sitzen und weigerte sich, ihm klein beizugeben.
»Nun?« fragte er ungeduldig
»Man kann eine Schlacht auch so führen, daß der Sieger danach nicht wie ein blutlüsterner Barbar aussieht. Und die Public Relations verstehen sich als Schlüssel zu einem positiveren Bild.«
Damit hatte sie allerdings recht, wie auch Cole sich eingestehen mußte, aber er war nicht in der Stimmung, das zuzugeben. Harrison hatte aus bescheidenen Anfängen ein Firmenimperium geschaffen, das sich aus durchgehend profitablen Unternehmen zusammensetzte. Dabei hatte er oft genug gegen selbstgefälligen Geldadel wie die Cushman-Brüder zu Felde ziehen müssen, und aus jeder Schlacht war er siegreich hervorgegangen. Dabei hatte sich in ihm die Überzeugung festgesetzt, daß diese Leute ihn am meisten dafür haßten, sich in ihren Reihen festzusetzen. Daß er ihnen dabei auch das eine oder andere abgenommen hatte, spielte nur eine zweitrangige Rolle. Der Schaden, den er ihren Guthaben und Aktienpaketen zufügte, war schon ärgerlich genug, viel empörender empfanden sie, daß er ihrem Gefühl der Überlegenheit den Boden unter den Füßen entzogen hatte.
Rein persönlich empfand Cole die Verdrossenheit seiner Gegner eher zum Lachen, und es amüsierte ihn ebenso, daß er bei jeder Übernahmeschlacht als keulenschwingender Plünderer gebrandmarkt wurde, während seine Opfer in der Presse als die reinsten Unschuldslämmer erschienen und man seine Konkurrenten als edle Ritter auf stolzen Schimmeln darstellte.
In Wahrheit beschäftigten diese >noblen Widersacher< scharenweise Anwälte, Buchprüfer und Finanzberater, die für sie die Drecksarbeit erledigten, während sie selbst höchstens hinter den Kulissen agierten. Wenn die Firma, denen ihr Begehren galt, dann
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