Der Rebell - Schattengrenzen #2
ihm, dass er die Waffe ins Labor geschickt habe. Sie stammte nach Meinung der Experten tatsächlich aus dem Ersten Weltkrieg und hatte wohl zur Ausrüstung eines Infanterieregiments unter Friedrich Sixt von Armin, der einer der Generäle in der vierten Flandernoffensive, im April 1918 gewesen war, gehört. Ein Erinnerungsstück an Walters Vater. Zumindest stand nun fest, dass Rudolph Markgraf Soldat im Ersten Weltkrieg gewesen war.
Leider half die Information kaum weiter. Allein die Hochzeitsaufnahme von Erna und Rudolph unterstrich diese Tatsache. Aber wenn Walter das Gewehr bis heute aufgehoben hatte, musste ihm viel an seinem Vater gelegen haben. Vielleicht fand er noch ein paar Bilder, die diese Theorie stützten.
Anfangs hatte er sich die Aufnahmen gründlich angesehen, aber das brachte wenig, wenn es keinen roten Faden gab, dem das Chaos folgte. Ihm blieb nichts weiter, als das ganze Zeug zu sortieren – wenigstens grob, damit Zusammenhänge klar hervortraten.
Eines der Handys gab einen seltsam gequälten Laut von sich. Daniel griff in seine Gesäßtasche und zog sein Gerät hinaus. Er strich über den Bildschirm.
»Olli, die SMS ist für dich.« Er winkte mit dem Gerät.
Mühsam erhob Oliver sich aus den Stapeln, wobei mehrere in sich zusammenfielen. Ärgerlich zischte er. Wesentlich vorsichtiger stakste Oliver zwischen den Stapeln aus Ordnern, Briefen und Büchern zu Daniel.
Auf dem Display stand Camillas Name.
Hi Danni ,
Wenn Olli in deiner Nähe ist, sag ihm bitte, dass ich meine Ma angesprochen habe. Sie konnte sich sehr gut an das Treffen mit Silke erinnern. Sie erklärte mir, dass ein Walter Markgraf der Neffe ihres Urgroßvaters Gustav war.
Hatte der Bruder von Ollis Uropa den Namen Gustav?
LG,
Camilla
Die Nachricht erleichterte ihn auf eigenartige Weise. Es fühlte sich gut an. Vielleicht lag es an der Gewissheit, nicht mehr allein dazustehen. Camilla war eine liebe, treue Seele, ähnlich verlässlich wie Daniel.
»Ist es okay, wenn ich ihr zurückschreibe?«, fragte Oliver. Die Freude, die er empfand, das aufgeregte Kribbeln in seinem Magen konnte er nicht ganz aus seiner Stimme verbannen.
Daniel hob auffordernd eine Hand. »Klar, mach!«
Dankbar nickte er ihm zu und rief den Buchstabenblock auf.
Hallo Camilla,
du hast recht, Gustav ist Rudolphs älterer Bruder. Er hat in Berlin geheiratet, noch bevor WWI anfing. Schön zu wissen, dass ich nun zwei Verwandte kenne, dich und Matthias.
GLG, Oliver
Bevor er die SMS abschickte, tippte er mit dem Zeh gegen Daniels Fußsohle.
»Hm?«
»Kann ich ihr die Nummer von deinem alten Handy geben?«
Er nickte nur. »Ist jetzt sowieso deins.«
Oliver grinste. »Retro ist cool, danke dir.”
Daniel schob seine Sachen beiseite und streichelte kurz über die Rückseite von Olivers Oberschenkel. Ein Schauder jagte über seine Haut. Für einen Augenblick wurden Olivers Knie weich. Jetzt standen ihm ein paar Dinge näher, als ausgerechnet Bilder sichten und kommentieren.
Mühsam bezwang er sich und verscheuchte die aufkommende Sehnsucht. Dafür war später viel Zeit.
Rasch tippte Oliver die Zahlen ein und schickte die Nachricht ab.
Als er Daniel das Handy zurückgab, berührte er absichtlich seine Hand. Der Kontakt hielt einen Moment, in dem Oliver Daniels Blick einfing und festhielt. In dem Lächeln lag ein deutliches Versprechen, was es ihm nicht gerade erleichterte, wieder an die Arbeit zu gehen.
Er saß inmitten vieler kleiner Stapel, die zunahmen, je weiter der große Haufen aus dem Koffer schrumpfte. Seine Augen brannten. Er rieb sie immer wieder. Allerdings flimmerten die sepiafarbenen oder schwarz-weißen Gesichter und Figuren zusätzlich zu der Unschärfe der Aufnahmen. Anstrengend. Micha döste mit zurückgelegtem Kopf, während Chris sich bemühte, nicht einfach zu blättern, ohne noch ein Bild anzusehen. Keiner der Jungs motzte.
Oliver war stolz auf beide. Sie gaben sich unheimlich viel Mühe. Anscheinend wussten sie, dass das, was sie taten, von großer Wichtigkeit war. Mit ebendiesem Ernst gingen sie an die Aufgabe heran.
Liebevoll lächelte er, bevor er sich wieder dem Koffer zuwandte. Er atmete tief durch. Alles hatte ein Ende, auch das. Ohne die Sichtung gab es keine weiteren Informationen. Zusätzlich bildeten diese Fotografien ein Fenster in die Vergangenheit und beleuchteten kurze Lebensabschnitte von Menschen, die er nie kennengelernt hatte.
Nach der groben Sichtung konnte er Bilder in vor 1920, um 1930 und 1940
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