Der Rebell - Schattengrenzen #2
nachgelaufen ist. Einfach nur eine Welt ohne Wahnsinn.« Er ließ seine freie Hand auf den Oberschenkel sinken. »Warum hat mich meine Familie dazu gezwungen, an der Oberfläche zu kratzen? Diesen Moloch wollte ich nicht finden. Niemals.«
Wortlos richtete Daniel sich auf. Seine Hände berührten Olivers Schultern.
»O Daniel.« Er lehnte sich an seine Brust und schloss die Augen. Der ausgewaschene, raue T-Shirt-Stoff rieb zwar auf der Haut, fühlte sich aber vertraut an. Wie oft hatte ihm Daniel in den letzten Monaten zur Seite gestanden? Eigentlich täglich. Wie nah kamen sie sich dabei – nicht nur körperlich? Daniel kannte ihn vollkommen entblößt, bis auf die Abgründe seiner Seele und er hielt eisern an ihm fest.
Seit einer Weile lag mehr Gefühl in allem. Seine Aufmerksamkeit tat so gut, seine Zuwendung, die ständige Nähe und Körperlichkeit. Camilla hatte recht.
Sanft strich Daniel über seinen Nacken und seine Finger hinterließen eine brennende Spur. Daniel scheute sich in keiner Weise, ihn in die Arme zu nehmen und ihm Zärtlichkeit zu geben.
Sie waren sich so ähnlich, selbst in ihren Neigungen.
Er erwiderte die Umarmung. Langsam ließ er seine Finger über Daniels Wirbel gleiten, während er sich an ihn schmiegte. Der sehnige Körper spannte sich. Daniel hielt inne. Er seufzte leise.
Ein angenehm kribbelndes Gefühl erwachte. Für einen Moment verdrängte es jeden weiteren Gedanken.
»Du weißt aber, dass er noch minderjährig ist?«
Oliver seufzte. Matthias, diese Spaßbremse.
Daniel kümmerte sich einen feuchten Kehricht um die Meinung seines Kollegen.
Das sanfte Kraulen in seinem Nacken hielt an. Daniel schob seine Finger unter den Kragen des Pullis. Ein wohliges Schaudern durchfuhr ihn und sammelte sich in elektrischen Impulsen zwischen seinen Beinen. Daniel drängte sich dichter an ihn. Sein Körper glühte auf. Hitze ballte sich in ihm. Die Härchen auf seinen Armen stellten sich auf. Schöner ging es kaum noch.
»Das ist meine Sache, okay?«
Ein klares Statement Daniels.
»Macht, was ihr wollt.« Matthias spie die Worte fast aus. Etwas milder fügte er hinzu: »Wenn ihr es nicht schon miteinander gemacht habt.«
Dieser Idiot. Warum ging jeder Erwachsene davon aus, dass die Sexualität erst mit dem achtzehnten Geburtstag einsetzte? Das erste Mal lag bereits zwei Jahre zurück.
»Ich bin keine Jungfrau mehr, Mann.« Oliver sah an Daniels Schulter vorbei zu Matthias, der mit vor der Brust verschränkten Armen am Kühlschrank lehnte. Verständnislos schüttelte er den Kopf.
»Versauter Bengel.« Matthias’ strenge Mimik schmolz. Er musste grinsen. »Und das ist mein kleiner Cousin.«
Irgendwie klang das gar nicht mehr nach dem strengen Matthias. Irritiert musterte Oliver ihn. In seiner Mimik lag keinerlei Spott. Woher kam diese Offenheit?
Matthias stieß sich ab. »Wäre mir lieber, ihr würdet Lukas und mir bei der Arbeit helfen, als hier herumzustehen und Händchen zu halten.«
Oliver löste sich ein Stück weit aus Daniels Griff und richtete sich auf. »Gleich, okay?«
»Fünf Minuten, ihr beiden – ach, und ich schaue genau auf die Uhr.«
Der Kaffeebecher stand neben ihm auf dem Boden, leer, genau wie die große Pumpkanne auf dem zugebauten Tisch. Opa hockte zwischen seinen Beinen. Sie hatte sich zusammengemufft und schlief. Chris lag neben Michael auf dem Sofa, den Kopf auf der Lehne und den Blick zur Decke gerichtet. Fit war der Kleine nicht. Offenbar ging es ihm wieder etwas schlechter. Er schien sich zumindest nicht mehr auf all die alten Bilder konzentrieren zu können, oder sie hatten ihren Reiz für ihn verloren. Immerhin hatte er mit seiner angeschlagenen Gesundheit lang durchgehalten.
Selten stieß Michael ihn an, um ihm eine Aufnahme zu zeigen. Aber selbst seine Beharrlichkeit schlug sich langsam in Erschöpfung nieder. Er gähnte hinter vorgehaltener Hand. Zeitweise hob er den Kopf und blinzelte. Anscheinend tränten ihm die Augen.
Matthias und George wechselten sich mit dem Sichten der Briefe und der Katalogisierung ab, während Daniel mit seinem Laptop auf dem Boden unter dem Fenster saß und Bücher sichtete. Teilweise tippte er etwas ab, schob sein Notebook aber immer wieder von sich und widmete sich rein den Schriften.
Seit gut vier Stunden arbeitete Oliver sich durch die Aufnahmen aus dem Koffer. Dank des Transports lagen sie kreuz und quer. Das alte Gewehr inklusive der Munition fehlte. Auf die Frage, was damit passiert sei, antwortete George
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