Der Rebell - Schattengrenzen #2
Opas Vorderpfoten an seinem Oberschenkel. Sie hatte sich auf ihre Hinterläufe gesetzt und bis zu seinem Bein aufgerichtet. Was wollte sie denn jetzt?
Langsam arbeitete sie sich nach hinten, bis sie vom Boden hoch federte und sich zwischen seinen Rücken und die Lehne quetschte. Automatisch rutschte er nach vorn. Ohne Rücksicht auf Verluste richtete sie sich hinter ihm ein.
Ungläubig wandte er sich zu ihr um. »Was war das denn?«
Daniel, der den Rechner zugeklappt hatte, lachte leise. »Das kenne ich von Camillas Tieren. Die liegen auch immer gern hinter ihr.«
Von Katzen war ein solches Verhalten ja noch zu erwarten, aber von einem Hasen? Besonders bei Opa fehlte ja der gängige menschliche Bezug. Sie war eine Stallhäsin, die nie zum Spielen und Kuscheln herausgenommen worden war. Sie müsste doch viel scheuer sein, nicht so vertrauensvoll. Immerhin hatte sie ihre ganze Sippe verloren.
»Sie ist ein eigenartiges Tier.«
Zustimmend nickte Daniel. »Richtig, aber denselben engen Bezug hat Camilla zu Nadel, ihrem Igel.«
»Nadel?« Oliver musste sehr an sich halten, um die Milch mit den Flakes nicht durch die Nase auszuatmen. »Das hat den gleichen abstrusen Charme wie Opa für eine Häsin.«
»Nadel ist ein Igelmännchen und Camilla so zugetan wie Opa dir. Er reagiert fürchterlich eifersüchtig, wenn Camilla und Christoph zusammen sind.«
»Irgendwo niedlich.«
Daniel grinste breit. »Und wie.«
Oliver griff nach der Kaffeetasse und probierte. Das Gebräu schmeckte angebrannt und schal. Trotzdem tat es gut.
Er sah noch einmal zurück, zu Opa. Gemütlich anlehnen konnte er sich zumindest nicht.
Wie würde das laufen, wenn Aboutreika sie wirklich aufnahm? Opa mitzunehmen wäre sicher unmöglich, besonders weil Kerstin und Jamal Katzen hielten. Die dicke Langohrdame ließ sich unglücklicherweise nicht in einen Käfig sperren.
»Was mache ich nur mit dir?«
Er streichelte sie. Ihr Köpfchen bewegte sich allerdings kein bisschen. Trübsinnig hingen ihre Ohren hinab, während sie ihre Pfoten unter dem Kiefer gefaltet hielt. Warum wirkte sie so traurig? Wusste sie etwa, was er gedacht hatte? Ein Ohr zuckte hoch, nur um langsam herabzusinken. Ein beinahe menschlicher Seufzer entrang sich ihr.
»Willst du dir das antun, Olli?«
» Aboutreika ?«
Daniel stützte den Kopf auf die gefalteten Hände. Er nickte.
»Ja, denn auf anderem Weg werde ich nie hinter seine Art zu denken kommen.«
»Du bringst Micha und Chris in Gefahr, wenn auch nur ein Teil dessen stimmt, was du vermutest. Das weißt du hoffentlich?«
Ja, leider . Das war auch der Grund, weshalb er versucht hatte, mit Chris zu reden.
»Ich weiß.« Er schob die Cornflakes von sich. »Vor einer Weile habe ich versucht, mit Chris über ihn zu reden. Der Zwerg hatte uns eh gehört. Auch wenn er sich ständig dagegen weigerte, sich von mir anzuhören, was ich über Amman sagen wollte, kam von ihm ein Kommentar, der mir wirklich durch Mark und Bein ging.« Oliver fixierte Daniel, der still, sorgenvoll zuhörte. »Er fragte, was aus Kerstin und Jamal würde, wenn ich Amman ausspähe und Beweise gegen ihn zutage fördere.«
Er verstummte und griff nach seiner Tasse, trank aber nicht. Vielmehr versteckte er sich hinter der farbigen Keramik.
Nachdenklich massierte Daniel sein unrasiertes Kinn.
»Was soll ich dazu sagen?« Er streckte sich nach hinten aus. »Wenn es nach mir ging, würde ich dich nie auch nur in die Nähe dieses Mannes lassen, Olli. Er ist meiner Meinung nach gefährlich.«
»Warum versuchst du nicht, mich umzustimmen?« Die Frage kam selbst für Oliver unvorhergesehen. Sie stammte aus einem Impuls, dem Drang, Daniels Sorge und seine Liebe heraus–, nein, einzufordern. Sie entbehrte jeder Logik und fühlte sich falsch an. Trotzdem entsprach sie dem, was tief unter dem eisernen Entschluss lauerte, seiner nackten Angst und dem Wunsch gesagt zu bekommen, dass die Idee einfach nur Irrsinn war. Wahrscheinlich erkannte Daniel diese Triebfeder. In sein Gesicht kehrte sein liebes, freundliches, warmherziges Wesen zurück.
»Ich will nicht, dass du dich an Aboutreika verkaufst. Das weißt du genau. Eher würde ich dich hier anbinden.« Er machte eine kurze Pause. »Aber ich kenne dich. Unter deiner Kraft lauert Angst, die du krampfhaft niederringst, einfach um nicht für schwach gehalten zu werden. Wenn ich dich anflehe, den Irrsinn zu lassen, würdest du wanken, nicht den Entschluss fassen, den du fassen willst. Damit gebe ich dir nur
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