Der Rebell - Schattengrenzen #2
hatte Daniel ihm in der Dunkelheit seines Zimmers zurückgezahlt.
Es war so unglaublich schön gewesen.
Er schmiegte seinen Kopf tiefer in das Kissen. Es roch leicht nach Schweiß und Haarwaschmittel.
Daniels Arm schlang sich fester um ihn …
Der Polyfon-Sound von Eye of the tiger zerriss den verzauberten Moment. Daniel zuckte erschrocken zusammen. Er fuhr hoch. Oliver wirbelte ebenfalls aus den Decken.
Was, zum Teufel, war das?
Einen Moment später begriff er, dass sein Handy klingelte. Der schräge Sound kam zumindest aus der Beintasche seiner Hose. Rasch fischte er danach und zog es heraus.
»Hoffmann?«
»Guten Morgen, Oliver, du hast nicht noch geschlafen, oder?«
Weißhaupt. Der gutmütige Spott kroch unangenehm real in sein Bewusstsein. Wenn er den gemütlichen Kommissar auch sehr gern mochte, in diesem Augenblick sehnte er sich danach, ihn zu strangulieren. Ein Telefonanruf um sieben Uhr in der Früh zählte nicht zu seinen favorisierten Ereignissen nach der vergangenen Nacht.
»Störe ich dich gerade bei was Wichtigem?«
Oliver warf das Haar zurück und ließ sich auf die Matratze fallen. Innerlich stöhnte er auf. Natürlich störte er, und wie! »Nicht wirklich, nur bei dem schönen Ende eines widerlich schwulen, feuchten Traums.« Hoffentlich kapierte Weißhaupt die wenig feinsinnige Ironie.
Schweigen antwortete ihm. Daniels Körper schmiegte sich gegen den seinen. Vorsichtig drehte er das alte Handy so, dass sie beide etwas hören konnten.
Weißhaupt räusperte sich.
»Ich wollte dir nur sagen, dass dein Großvater mit dir reden will.«
Warum wollte Walter mit ihm reden? Vor allem jetzt?
Nicht dass es negativ gewesen wäre, im Gegenteil. Auf Olivers To -do-Liste stand Walter immer noch recht weit oben. Solange die Erinnerungen an das, was sie sich aus den Unterlagen und Bildern zusammenreimen konnten und was in dem alten Haus geschehen war, frisch waren, musste er in jedem Fall mit dem alten Mann reden. Leider gab es kaum weitere Hinweise und Informationen zu der Familie Hirsch.
Zuvor das Standesamt aufzusuchen, wäre zwingend notwendig gewesen. Nur öffneten die sicher nicht am Dienstag um halb acht. Deshalb fehlten Grundlagen für weitere Informationen.
Andererseits, wollte er Walter tatsächlich unter Druck setzen? Die neunzig Jahre lasteten bleiern. Mit ihm konnte er einfach nicht so umspringen, wie er es noch mit seinem Vater vorhatte.
Bevor sie sich auf den Weg machten, sagte Daniel zumindest George Bescheid, der gerade aus der Dusche kam. Begeistert schien er nicht zu sein, besonders als Daniel ihn um den Wagenschlüssel bat.
Still saß er neben Daniel im Jeep. Die morgendliche Stadt steckte mitten in der Rushhour. Zwischen den Baumkronen und den Gebäuden hing noch ein Rest der Schatten, die die Dunkelheit zurückgelassen hatte. Die Straßen schimmerten von der Nässe und reflektierten das Licht tausender Scheinwerfer. Jede Pfütze, durch die sie fuhren, zersplitterte in grelle Spiegelscherben. Zugleich stieg die Sonne über der Stadt auf. Tatsächlich schob sich unter der dichten, dunklen Wolkendecke ein roter Schimmer über den Horizont. Oliver bezweifelte, dass die wenigen Sonnenstrahlen auch nur andeutungsweise ausreichten, um den Regen abzuhalten. Trotzdem war es ein schöner Anblick, der einen eigenen Zauber in sich barg. Seit Tagen die erste Sonne. Seltsam, wie sehr diese Stimmung der Realität entsprach. In den vergangenen Tagen sah es nicht so aus, als gäbe es noch Perspektiven oder ein greifbares Ziel, auf das sie zuarbeiten konnten. Seit der vergangenen Nacht sah alles etwas anders aus. Die Relationen hatten sich verschoben. Durch das Gespräch mit Chris und Daniel hatten sich zumindest ein paar Prioritäten geklärt. Das Gefühl zu lieben und geliebt zu werden, erleichterte viel. Die aufgestauten Gefühle, seine Unausgeglichenheit, waren wie fortgewischt.
Wie hatte er so blind sein können? Die ganze Zeit lastete der Druck der Situation auf ihm: Angst, Verwirrung und Unsicherheit. Vieles fand immer noch keine Klärung, aber zumindest gab es ein neues Ventil, die Belastung für eine Weile fernzuhalten und sich einfach nur zu verlieren.
»Worüber denkst du nach, Olli?«
Daniel sah kurz von der Straße zu ihm. Er lächelte. Auch ihm schien es besser zu gehen. Beide hatten sie kaum geschlafen, aber es ging ihnen gut.
»Über alles Mögliche, insbesondere dich und mich. Dass du mir gut tust und mich beruhigst.«
Lächelnd drosselte Daniel die
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