Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rebell - Schattengrenzen #2

Der Rebell - Schattengrenzen #2

Titel: Der Rebell - Schattengrenzen #2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Meurer
Vom Netzwerk:
sicher die falsche Frage. Walter zog sich gerade zurück. »Wie hat sie das Kind verloren?«
    Von einem Moment zum anderen sank Walter noch weiter in sich zusammen. Er starrte lang auf die Tischplatte. Seine Schultern bebten leicht. Weinte er?
    »Ich habe sie die Treppe von der Dachkammer hinabgestoßen. Das Kind starb und sie beinahe auch.«
    Gestoßen? Damals war er ein vierjähriges Kind, gar nicht stark genug. Sicher nur ein Versehen, ein Unfall.
    »Wie kam es dazu?«
    Er klang weitaus gefasster als er sich fühlte. In ihm bebte und vibrierte alles. Seine Nerven brannten vor Nervosität.
    Walter ballte die Fäuste in seinen Händen. »Vater rief mich. Ich habe mich auf der engen Wendeltreppe an Mutter und Helene vorbeigedrängt. Sie hat ihren großen Weidenkorb mit der Trockenwäsche nicht halten können, verlor das Gleichgewicht und stürzte.«
    »Das war ein Unfall, oder nicht?«
    Oliver biss sich auf die Lippe. Wirklich?
    In dem Aufgang zum Trockenboden lauerte der nebulöse Geist, das Ding, was wie eine Flutwelle gegen die Wohnungstür gebrandet war.
    Das Ding, vor dem sich sogar die Wächter scheuen.
    Wieder diese flüsternde innere Stimme … Konnte die nicht wenigstens jetzt still sein? Er verschloss sich davor.
    War dieses Wesen die Seele der alten Frau? Erna als Rachegeist? Was wollte sie, ihr verlorenes Kind rächen oder handelte es sich um mehr? Hass auf Walter vielleicht?
    Welche Rolle spielten Helene und Rudolph?
    Oliver schluckte. »Ging Helene hinter deiner Mutter?«
    Die Frage war überflüssig, schon weil nur Erna gestürzt zu sein schien. Trotzdem musste er Walter darauf hinweisen, dass er nicht die Schuld allein bei sich suchen dürfte.
    Walter schwieg. Nach einer Weile entspannte er sich etwas.
    »Danach verstanden sich meine Eltern gar nicht mehr. Mutti machte Vater und mir Vorwürfe. Sie zog sich zu Helene zurück und lebte den größten Teil ihrer freien Zeit dort.«
    Walter umging die Antwort. Dann traf es wahrscheinlich zu. Eine Antwort brauchte er dennoch. Vielleicht kam er auf anderem Weg weiter.
    »Misstrauen?«
    Er nickte.
    »Aber warum verdächtigte sie Helene nicht? Sie …«
    Walter schnitt ihm mit einer Kopfbewegung das Wort ab. »Als ich losstürmte, hatte sie noch nicht einmal all ihre Wäsche abgenommen. Rachel hatte ein paar Unterkleider in den Staub fallen lassen, weswegen sie wesentlich länger brauchten als Mutter und ich.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Mutter gestoßen. Das hat sie mir nie verziehen.«
    Rache, Ernas Gedankenwelt hatte nur noch aus Hass und Rache bestanden. Sie wollte mit den Menschen, die ihr Unglück begründeten, nichts mehr zu tun haben. Vermutlich hatte sie der gleiche Rachegedanke dazu angehalten, Rudolph und Helene zu töten.
    Grauenhaft. Die Vorstellung bereitete ihm Übelkeit. Aber das Bild, das er sich von Erna machen konnte, entsprach keinem zügellosen Menschen, sondern einer unglücklichen Frau, die in dieser Zeit ihren Neigungen nicht hatte folgen können und immer in einem Zwiespalt zwischen sich, der Moral und ihrer Umwelt stand.
    Leider hatte sie nach ihrem Unfall keine Grenzen mehr gekannt. Gefühle waren immer die Triebfeder für Entscheidungen und Veränderungen. Liebe konnte in Unverständnis umschlagen, in Gleichgültigkeit und Ablehnung, Freude in Schockstarre.
    In der gegenwärtigen Zeit hätte sie nie den Grat zwischen ihren Neigungen und der Pflicht gehen müssen. Helene und sie wären ein Paar geworden und sicher um Längen glücklicher als sie es damals waren, zickige Eltern hin oder her.
    Selbst um zu studieren, würde heute der Staat Geld beisteuern, der Rest der Lebenshaltung wäre mit jobben möglich.
    Ihm taten die beiden Frauen leid, besonders weil Walter sie nicht verstand.
    »Was ist danach passiert?« Er ergriff Walters Hand. »Warum haben Rudolph und Helene geheiratet?«
    »Weil sie von ihm schwanger wurde und er sich zu ändern begann. Das Zügellose verschwand aus seinem Wesen. Durch Helene wandelte er sich zu einem verständnisvollen Mann. Vielleicht auch, weil sie in ihrer stillen, behutsamen Art den Ausgleich zu meiner Mutter darstellte, die er immer noch haben wollte, obwohl er sie fürchtete.«
    Oliver kniff die Augen zusammen und musterte Walter. »Helene und Rudolph haben sich ineinander verliebt, richtig?«
    In der Mimik seines Großvaters spiegelten sich Mitleid und Schmerz. »Damals habe ich das nicht verstanden, aber ja, ganz sicher. Sie haben sich sehr geliebt.«
    Vielleicht war diese Liebe

Weitere Kostenlose Bücher